Caruso singt nicht mehr
und auf den Sandplatz bringen können, auf dem an besseren Tagen Pferde und Kinder unter dem Kommando von Rena das Hürdenspringen übten. Dort kokelten sie nun vor sich hin und trugen ihren Teil bei zu dem widerlichen Geruch, den nasse, verbrannte Balken und Ziegel verströmten. Dann stürzte das Dach ein. Über dem Lanz. Und der Pferdekutsche.
Anne versammelte die freiwilligen Helfer im Hofladen zum abschließenden Brandlöschen mit Bier. Der Brandwache, die den rauchenden Schutthaufen auf neue Feuerherde hin beobachten mußte, brachte Rena die Getränke hinaus.
»Hat’s euch also auch erwischt?« Auf die anteilnehmende Frage von Feuerwehrfrau Katja konnte Anne nur stumm nicken.
»Da hab ich noch viel Schlimmeres gesehen!« dröhnte der Hüne dazwischen, ein Bauer aus Groß-Roda.
»Acht Stück Vieh sind draufgegangen, letzten Monat, als es beim Ziegler in Laufelden brannte.«
»Und wie das stank! Einfach ekelhaft.«
»Ihr meint, ich hätte Glück gehabt?« fragte Anne skeptisch.
»Meinst du nicht?« fragte Katja erstaunt. »Wenn ich der Brandstifter wäre, hätte ich mir gleich den großen Stall und die Reithalle vorgenommen.«
»Der Brandstifter?« fragte Anne zurück.
»Wer sonst?«
Anne schüttelte sprachlos den Kopf. Sie hatte, fiel ihr auf, noch keinen einzigen klaren Gedanken fassen können – weder darüber, wer ihr den Stall angezündet hatte. Noch darüber, wer ihren Mann umgebracht hatte. Katja legte ihr mitleidig die Hand auf den Oberarm. »Irgendwann finden sie ihn«, sagte sie. Wen, ließ sie offen. »Das wird schon wieder.«
Nach dem Abzug der Löschtrupps überfiel Anne bleischwere Müdigkeit. Sie war seit Stunden auf den Beinen. Aber zum Ausruhen war keine Zeit. Sie mußte den Abdecker bestellen für die tote Stute. Die Brandversicherung benachrichtigen. Mit ihren drei Arbeitern, die betreten vor der rauchenden Ruine standen, den Arbeitstag planen. Einen Kaffee kochen oder eine Suppe aufwärmen.
Rena kam aus dem Gastraum mit einer großen Thermoskanne und fünf Bechern.
Anne umarmte ihre Tochter und küßte sie auf die Stirn. »Muttiii!« machte Rena genervt und entzog sich ihr.
Plötzlich spürte Anne, wie ihr das Blut aus dem Kopf wich und ihre Beine nachgaben. Sie schaffte es gerade noch bis zur Bank vor der Reithalle. Ich will nicht mehr, hämmerte es schmerzend in ihrem Schädel, ich kann nicht mehr.
Sie lehnte sich zurück, legte den Kopf nach hinten und schloß die Augen. Einmal schwach sein dürfen, dachte sie. Einmal sich fallen lassen können. Einmal in den Arm genommen werden … Dagobert, der ihr nicht mehr von der Seite gewichen war, leckte ihre rechte Hand. Sie streichelte seine weiche Schnauze.
Neben ihr räusperte sich Krysztof, ihr Feldarbeiter. Sie war die Chefin. Sie mußte entscheiden.
Anne seufzte. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich und öffnete die Augen. »Gleich, Krysztof«, sagte sie. »Ich bin gleich wieder an Deck.«
3
Paul Bremer legte die Strecke zum Weiherhof in Rekordgeschwindigkeit zurück. Der Anblick der rauchenden und stinkenden Ruine schockierte ihn. Krysztof, der mit dem Trecker heruntergefallene Balken und Dachsparren aus dem Weg räumte, grüßte ihn. Der Pole hob vielsagend die Schultern, wiegte den Kopf und deutete mit dem Daumen hinter sich – zum großen Pferdestall, der, was Paul beruhigte, anscheinend nichts abbekommen hatte.
In der ersten Box vorn rechts traf er auf die sichtlich mitgenommene Daniela, eine Dreizehnjährige, die zwei-, dreimal die Woche zum Stalldienst kam. Daniela sparte auf ein eigenes Pferd. Bis es soweit war, versorgte sie Killroy, den Palomino-Wallach, den sie als Belohnung für den Stalldienst reiten durfte. Daniela hatte ein Kehrblech mit Pferdeäpfeln in der Hand, die sie aus dem Stroh geklaubt hatte, und schob, auf dem Weg zur Schubkarre, wahrscheinlich zum zigsten Mal das große Pferd zur Seite, das sich begeistert an der Suche nach Pferdeäpfeln beteiligte, indem es mit dem Huf das Stroh zerwühlte.
»Na, alles klar?« fragte Paul. Daniela strich sich die dunkle Haarsträhne aus der Stirn. »Ich bin so froh, daß Killroy nichts passiert ist.«
»Und den anderen, natürlich«, fügte sie schnell hinzu, erschrocken über ihre Selbstsucht.
Aus der dritten Box links empfing ihn ein tiefes, grollendes Knurren. Dagobert verteidigte mit gesträubtem Nackenhaar den Zugang zu Anne, die auf dem Balken neben Bucephalus saß, dem Araber, dem Tier mit dem großen Namen, dem Pferd, an dem sie am meisten
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