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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Gute Idee, dachte Anne.
    »Bestell deinen Eltern einen schönen Gruß von mir, ja?« sagte sie. Etwas besseres fiel ihr nicht ein. »Und vergiß es auch nicht!«
    Den kurzen Blick, den er ihr zuwarf, bevor er sich umdrehte und ging, konnte sie nicht deuten. Gepeinigt? Verächtlich? Oder einfach nur verstockt und schlechtgelaunt?
    Anne hob eine Möhre auf, die Alexander vor dem Gatter hatte fallen lassen, und hielt sie dem Zweijährigen hin, der mit seinen weichen Lippen nach ihrem Jackenärmel geschnappt hatte. Was war mit dem Jungen los? Hatte er Streit mit Rena gehabt? Sie wußte nicht, ob ihr das leid tun sollte. Oder ob sie im Grunde ihres Herzens darüber erleichtert war.
     
    Vor dem Hofladen standen Rudolf und Werner, die beiden Jäger, neben ihrem verstaubten braunen Jeep. Der Wagen sah schwer demoliert aus. Anne merkte, daß sie sich über den Besuch freute, und lächelte den beiden entgegen. »Habt ihr eine Begegnung mit Billy gehabt?«
    »Mit deinem gigantischen Stier? Um Himmels willen!« Beide Männer hielten mit gespieltem Entsetzen die Hände hoch.
    »Was kann ich für euch tun?«, fragte sie. »Bier? Cola? Wasser?«
    »Bier«, sagte Rudolf. »Und Geld!« forderte mit frechem Grinsen Werner.
    Anne hatte es vergessen. Die beiden kamen zur monatlichen Abrechnung.
    »Du hast im Moment andere Probleme, das wissen wir doch«, sagte Rudolf, der große blonde Sicherheitsingenieur aus der Kreisstadt, der zusammen mit dem sanften Werner von der Ford-Werkstatt in Pfaffenheim die Jagd im Wald hinter dem Weiherhof gepachtet hatte.
    »Das kann man wohl sagen«, Anne schloß den Hofladen auf, »ich bin für jede Ablenkung dankbar.«
    »Davon haben wir jede Menge zu bieten«, sagte Werner und schlüpfte aus seiner Barbour-Jacke, bevor er sich an den runden Tisch in der Mitte des Raumes setzte.
    »In meinem Laden müssen Versprechen gehalten werden«, sagte Anne, hängte ihre Jacke auf, tauschte die Gummistiefel gegen ihre Birkenstocks und begann drei Bier zu zapfen.
    »Wir haben letzte Nacht ein ganzes Diebeslager ausgehoben.« Rudolf streckte seine langen Beine unter den Tisch und lächelte stolz. »Die Rumänen, natürlich. Die Vollidioten haben ihre ganze Beute – jetzt rat mal, wo – gebunkert.«
    Anne lachte, zuckte die Schultern und brachte drei volle Biergläser zum Tisch. Die Männer hoben das Glas.
    »Also, ich steig den Hochsitz auf dem Wildacker vor Klein-Roda hoch«, erzählte Rudolf, »und dacht, es haut mich um. Fast war ich drübergefallen. Es war alles voll. Bis unter die Decke gestapelt: Konservendosen, Weinkisten, Videorecorder, Postsäcke, Waschpulver« – Werner gluckste, ausgerechnet Waschpulver – »Schnaps, Kochtöpfe. Die ganze Litanei.«
    Anne schüttelte den Kopf. Die rumänischen Banden entwickelten sich zur Landplage.
    »Danach haben wir natürlich weitergesucht. Auf drei anderen Hochsitzen – die gleiche Bescherung.« Rudolf stopfte sich genüßlich seine Pfeife. »Die haben gestaunt bei der Polizei.«
    »Und die Rumänen haben euch dafür euren Jeep eingedellert?« fragte Anne, die merkte, wie gut es ihr tat, von den eigenen Sorgen abgelenkt zu werden.
    »Schön wär’s.« Rudolf hielt das Feuerzeug über den Pfeifenkopf und paffte. »Ich hätte die Jungs zu gern auf den Bullenfänger genommen.«
    Anne hatte lange gerätselt, wozu das chromblitzende Gestänge gut sein könnte, das ein echter Kultjeep über der vorderen Stoßstange trug. Ein Bullenfänger, na klar! Und wenn man dann noch die entsprechende Zigarette dazu rauchte, stellte sich der Geschmack von Freiheit und Abenteuer ganz von selbst ein. Paul hatte kürzlich eine aparte Theorie entwickelt, warum der Jeep insbesondere bei Städtern so beliebt war – als Drittwagen. »Womit«, hatte er gefragt, »sollen sie denn sonst ihre Eier vom Bauernhof holen?«
    Bei Rudolf und Werner war sie nachsichtig: Die beiden fuhren wirklich über matschige Waldwege und durch feuchte Wiesen. Und die Aufschrift auf dem Schutzüberzug über dem Ersatzrad, an der Hinterklappe, war einmal nicht die übliche eitle Protzerei, mit der Jeepbesitzer auf ihre Mitgliedschaft im Golfclub Sowieso oder im Boxverein Irgendwie hinwiesen, sondern der Name der Vogelwarte auf dem Bieberkopf: »Der Flug des Falken«.
    Rudolf zog an seiner Pfeife. »Uns hat ein großer, kräftiger Sechsender erwischt.«
    »Beziehungsweise wir ihn«, korrigierte Werner.
    »Am vergangenen Samstag. Auf der Strecke zwischen Heckbach und Berghain. Im Dämmerlicht. Da sind die Tiere

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