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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Flugzeugen, Gefängnissen und teuren Speisegaststätten. Aber Frauen sind auch nicht die besseren Menschen, gestand sie sich beim Anblick der zwei Damen ein, die, sorgfältig renoviert, zwei Tische weiter ihre Hamsterbäckchen im Akkord bewegten, weil Kauen und Klatschen auf einmal erledigt werden wollten. Zusammenfassend: Menschen insgesamt waren eigentlich unausstehlich. Und wenn sie ehrlich war: heute vor allem sie selbst.
    Als sie in ihrer großen Handtasche nach dem Lippenstift kramte, um sich die Lippen nachzuziehen, fiel ihr der Briefumschlag wieder in die Hand, den sie noch schnell vom Schreibtisch genommen und eingesteckt hatte, bevor sie aus dem Büro gegangen war. Der Brief war heute mit Boten gekommen, aus Bad Moosbach, von Pauls Landinspektor. Dieser Kosinski dürfte in Ordnung sein, dachte Karen flüchtig. Sie war von den meisten Untergebenen oder Berufskollegen gewohnt, daß sie sich ihr gegenüber immer erstmal profilieren mußten – vor allem die mit dem provinziellen Trotz gegen »die da oben« oder gar »die in Frankfurt«. Kosinski hingegen schien ihren Anruf vorgestern mittag ganz normal gefunden zu haben und hatte sie sogar von sich aus um ihren Rat gebeten.
    »Mutter oder Tochter – beide könnten es gewesen sein«, hatte er zweifelnd gesagt. »Ein fremdes Auto ist nicht gesehen worden.« Selbst von den schlaflosen und notorisch wachsamen älteren Landbewohnern in der näheren Umgebung nicht.
    »Aber daran glauben Sie wohl nicht?«
    »Nicht so richtig.« Kosinski hatte gezögert.
    »Obwohl Anne Burau einen hervorragenden Grund hat?«
    »Schon. Aber sechs Jahre später?«
    Karen hatte das auch nicht plausibel gefunden. Zumal Leo die ganze Zeit bei ihr gewohnt hatte. Was ihr, nebenbei, ein Rätsel war.
    »Leo Matern war oft in Frankfurt.«
    Das erweiterte das Spektrum natürlich immens. Es gab, mit anderen Worten, keine Spur.
    »Ich würde Ihnen gerne etwas zuschicken, Frau Doktor Stark«, hatte Kosinski vorsichtig gesagt, »wenn Sie nichts dagegen haben. Dieser blaue, kreisrunde Stempel auf dem Hinterteil des Ermordeten –«
    »Der Stempel von der Fleischbeschau?«
    »Eben nicht. So was sieht ganz anders aus. Der Abdruck ist nicht von höchster Qualität, wäre ja auch ein Wunder. Aber es sind innerhalb des Kreises Zeichen zu erkennen.«
    Das hatte Karen überrascht.
    »Wenn Sie sich das mal ansehen möchten?«
    Heute mittag hatte der Bote die Fotos vorbeigebracht. Karen zog sie aus dem Briefumschlag. Kreisrund, notierte sie automatisch im Kopf, etwa fünfmarkstückgroß. Blau, so eine Art Preußischblau. Drumherum eine Art Girlande. Innerhalb des Kreises Zeichen. Drei oder vier Zeichen. Es könnten auch Buchstaben sein. Karen kramte im vorderen Fach ihrer Tasche und fluchte leise. Sie hatte auch ihre Lupe auf dem Schreibtisch liegengelassen. »Ist das schon Alzheimer oder noch ganz normale Schusseligkeit?« fragte sie sich spitz. Das erste und das vorletzte Zeichen sahen ähnlich aus, waren vielleicht sogar identisch. Mehr konnte sie mit bloßem Auge nicht erkennen. Sie schob die Fotos in den Briefumschlag zurück.
    Das runde Mal erinnerte sie an etwas. Aber an was?
    Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas und verschob das Denken auf morgen.
5
    Karen hatte tief und traumlos geschlafen – wie eigentlich immer. Sie räkelte sich im Bett und dankte dem Schöpfer für diese natürliche Gabe. Bei allen anderen in etwa ihrer Berufsposition oder Altersklasse waren präsenile Schlafstörungen verbreitet, zumal nach einem Tag wie dem gestrigen. Aber nicht bei mir, dachte sie voller Genugtuung.
    Mit Schadenfreude hörte sie im Flur das Telefon klingeln. Heute nicht, murmelte sie. Gleich – jetzt! – schaltete sich der Anrufbeantworter ein. »Sprechen Sie bitte nach dem Pfeifton!« Und wenn nicht, ist es auch egal.
    Karen lag auf der linken Seite ihres geräumigen Bettes. Suchend tastete sich ihre rechte Hand auf die andere Seite vor. Die Zeitung von gestern lag noch da, der »Spiegel« von letzter Woche, ein Kommentartext, den sie dringend lesen müßte, ein Vorgang, den sie aus dem gleichen Grund mit nach Hause genommen hatte, der Krimi, den sie gestern abend statt dessen gelesen hatte. Sie seufzte zufrieden, griff sich das große Kissen, das rechts von ihrem Kissen lag und stopfte sich beide hinter den Kopf. Ihr Bett war aus alter Gewohnheit für zwei ausgelegt: ein großes Kissen und ein kleines Kissen und eine Bettdecke für sie. Und: ein großes Kissen – und ein kleines Kissen – und eine

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