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Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Titel: Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vázquez Montalbán
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der GAL ziehen, wenn jederzeit und überall ähnliche Gruppierungen auftauchen? Sie sind ein Profi, das weiß ich. Deshalb sollten Sie nicht vergessen, dass ich für die gesamte Polizei von Rosario verantwortlich war, der Heimat des Che, und das während des Prozesses der nationalen Reorganisation! Reden Sie mit Ihren Vorgesetzten. Wir brauchen dringend eine politische Entscheidung, werter Freund. Einen Schuldigen haben wir bereits, einen, der uns keine Probleme machen wird. Ich rede von diesem störrischen Bettler, Cayetano, so heißt er, glaube ich. So einfach lässt sich die Sache lösen.«
    Im selben Moment hatte Inspektor Lifante einen Beschluss gefasst.
    Â»Ich will, dass ihr den Fund von Rocco Cavalcantis Leiche publik macht. Deutet an, dass es sich um eine Abrechnung zwischen Drogenbanden handelt, aber es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Sache etwas mit dem Fall Helga Muchnik zu tun hat.«
    Eine Viertelstunde später ging das Fax in den Redaktionen der wichtigsten Tageszeitungen, Radiosender und Fernsehkanäle der Stadt ein und rief kaum ein müdes Augenbrauenhochziehen bei irgendwelchen jungen Studenten der Informationswissenschaften hervor, die gerade ihr Praktikum absolvierten. Der eine oder andere versuchte seinen Vorgesetzten davon zu überzeugen, der Meldung nachzugehen, aber ein toter Dealer mehr oder weniger, was spielte das für eine Rolle? Der Polizeipräsident war da anderer Meinung.
    Â»Lifante, sind Sie wahnsinnig geworden? Ein Streit zwischen Dealern, und Sie verhaften einen gefährlichen Gewalttäter, einen rechtsradikalen Schlägertypen? Wollen Sie einen Skandal? Hat dieser Fascho was gestanden?«
    Â»Nein.«
    Â»Dann raus mit Ihnen. Stellen Sie sich das einmal vor: Rechtsradikale, Bettler, Drogendealer – und die Rechte an der Macht. Das nützt nur den Sozis.«

16 Wer ist der Vater von Helgas Sohn?
    An der ersten Station des Leidenswegs der Schönheitsbehandlung blieb Gilda Muchnik vor dem Spiegel stehen und wagte nicht zu fragen, ob sie noch immer die Schönste im ganzen Land sei. Sie fürchtete, der Spiegel könne ihr antworten: Nein, das ist noch immer Helga. Drei Stunden ließ sie eine ganze Reihe von Restaurationsarbeiten über sich ergehen: Zuerst Schwachstrom gegen die Orangenhaut und die Schmerzen in der Lendengegend, dann Elektrotherapie, und zu guter Letzt wurde sie von oben bis unten mit Schlamm eingerieben und in mehrere Decken und Laken gehüllt, damit sie schön warm blieb. Ihr Körper lag da wie eine Mumie, eingeschmiert mit Vulkanschlamm, bis das Klingeln eines Weckers sie erlöste und sie von ihrem Schweißtuch befreite. Zum Vorschein kam der Akt einer Frau irgendwo zwischen ihrer ersten und zweiten Jugend. Sie ging zur Dusche wie die missratene Tochter des Pharaos, die den Wunsch verspürt, einfach nur abzuhauen. Unter dem Wasserstrahl kehrte ihr Körper in die Wirklichkeit zurück, und mit einem Anflug von Ekel spülte sie sich den restlichen Schlamm ab. Es war Zeit für die Massage, Gesicht inklusive, unter den wuchtigen Pranken einer achtzig Kilo schweren Masseurin.
    Â»Das Doppelkinn. Bearbeiten Sie das Doppelkinn.«
    Â»Aber Sie haben doch überhaupt keins.«
    Â»Danke, aber ich weiß selbst am besten, ob ich ein Doppelkinn habe. Alle Frauen in meiner Familie hatten ein leichtes Doppelkinn.«
    Als die Prozedur überstanden war, begutachtete sie das Resultat im Spiegel. »Und wenn ich mir das Gesicht liften lasse? Eine Collagenbehandlung?«
    Â»Ich würde damit noch etwas warten. Wenn Sie Ihre Haut ganz normal pflegen ...«
    Â»Ein kleines bisschen Collagen, oder? Das macht doch jede.«
    Â»Alles zu seiner Zeit.«
    Â»Aber wann ist der richtige Moment? Na schön, wenn Sie es sagen. Ich habe Angst vor dem Älterwerden, zumindest vor der Vorstellung, man könne mir ansehen, dass ich älter werde. Ich habe es so geliebt, mich auf der Segelyacht meines Mannes zu sonnen, und jetzt diese Panik. Der Krebs, die Flecken. Man hat nur einen Körper im Leben. Collagen, oder?«
    Die Masseurin zuckte mit den Achseln, aber es sollte kein Zeichen von Gleichgültigkeit sein, sondern nur die Freundlichkeit, einer Kundin ihre Entscheidungsfähigkeit zurückzugeben. Als Gildas Figur und ihre bürgerliche Maske wiederhergestellt waren, blickte die Masseurin sie ein letztes Mal genervt an. Während sie einen neuen Termin vereinbarten, war ihr

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