Cash

sonst noch jemand was auf dem Herzen? Fragen? Vorschläge?«
    Selbst in seinem Zustand innerer Auflösung war Eric hellsichtig genug zu wissen, dass keiner am Tisch riskieren würde, den Mund aufzumachen aus Angst, diesem Sackgesicht, diesem Zuchtmeister, der hier das Kommando übernommen hatte, die Meinung zu sagen. Es war, als würde er selbst von der Seitenlinie aus beobachten, wie er seine eigenen Leute gegen sich aufbrachte. »Na schön.« Er hob und senkte die Hände über der Tischkante. »Ich arbeite noch an den Umschlägen, gegen drei sollten sie fertig sein. Sitzung beendet.«
    Alle standen stumm auf, wagten nicht einmal den Blickkontakt mit ihm. Er jedoch blieb mit starrer Miene am Tisch sitzen, und die Erregung wich allmählich einer nachdenklichen Schlaffheit, als er nachrechnete, wie viel er diese Woche bereits aus dem Trinkgeldtopf gemopst hatte: beinahe 500 $ - viel zu viel, längst nicht genug.
     
    Boulwares Einzimmerwohnung im Haus neben der Eldridge Street 27 war eine gesichtslose Klause ohne eine Spur der Fassade aus dem neunzehnten Jahrhundert; Wände, Türen, Armaturen, alles billig und neu, bestimmt, so dachte Matty, komplett entkernt und neu gebaut für die Frischlinge, die an Wohnheime gewöhnten Kids.
    »Dieser Gedenkgottesdienst.« Matty, der Boulware über den Couchtisch hinweg gegenübersaß, robbte sich im Campingstuhl etwas näher heran. »Das ist eine tolle Sache, die Sie da für Ihren Freund veranstalten, und wir stehen hundert Prozent hinter Ihnen. Es wäre nur gut für uns, im Voraus zu wissen, worüber Sie morgen sprechen wollen.«
    »Sprechen?« Boulware nahm sich eine der Bierflaschen, die zwischen ihnen standen. »Über Ike, was denn sonst?« Sein Handy klingelte. »Entschuldigung.« Er hielt einen Finger hoch und intonierte den Namen der anrufenden Person. »Du kommst doch, oder?«
    Matty stand auf und trat an Boulwares Fenster, das auf die Müllcontainer hinter einem Chinarestaurant in der Forsyth Street hinausging.
    Die Zimmerwände waren kahl, von drei gerahmten SUNY-Buffalo-Theaterplakaten abgesehen - Mutter Courage und ihre Kinder, Equus und Lost in Yonkers -, auf denen Boulwares Name jeweils an erster oder zweiter Stelle stand. Die einzige persönliche Note in dieser Wohnung waren die Unmengen kleiner Plastiksoldaten und Star-Wars-Figuren, die über die Lehne der Bettcouch und die Küchenanrichte entlangmarschierten und sich seitlich an Fernseher und Kühlschrank über Schnürsenkel abseilten.
    Nach Dargans Anruf hatte Matty den restlichen Vormittag damit zugebracht, Berkowitz' Aufschub zum Trotz seinen eigenen kleinen Hintertürangriff zusammenzutelefonieren, indem er von Fahndung, Sitte, Drogen und Bezirksstreife jede noch ausstehende Gefälligkeit einforderte, und hatte von Menschen, die bei ihm tief in der Kreide standen, einen Korb bekommen; das hätte ihn hellhörig machen sollen, aber im Eifer des Gefechts nahm er die Hinweise nicht wahr.
    »Ich schwöre, wenn du morgen nicht kommst...« Boulware lächelte über die Antwort, dann - »Friede« - legte er auf, das Gesicht prickelnd vor Eifer. »Pardon, wobei waren Sie gerade?« Das Telefon klingelte wieder. »Entschuldigung, nur ... Ja? Hallo. Ich muss dich zurückrufen ... Ich muss dich zurückrufen ... Ich muss dich zurückrufen ... Ja ... Ja ... Okay ... Okay.« Er legte auf. »Tut mir leid, ist bloß wegen morgen, das wird, also, Hammer.«
    »Das ist toll, das ist prima. Wir wollen nur wissen, ob Sie vorhaben, irgendetwas über die Ermittlungen zu sagen.«
    »Was denn?«
    »Irgendwas.«
    »Ich verstehe nicht.« Und Matty glaubte ihm. »Soll ich denn etwas sagen?«
    »Eher gerade nicht.«
    «Eher nicht.«
    »Es ist nur, es ist schwierig, diese Ermittlung, aber Kritik zu diesem Zeitpunkt, irgendwas Negatives zur Presse ...«
    «Warum sollte ich das tun?«
    »Irgendwas über Eric Cash ...«
    Der Name sagte ihm erstmal gar nichts, und Matty dachte, Vergiss es einfach.
    »Was ist mit ihm?«
    »Wir versuchen, mit ihm zusammenzuarbeiten, aber es ist eine ganz heikle Situation. Er braucht, er meint, er braucht mal eine Auszeit, also vielleicht sollten Sie ihn ausbeziehen, wenn Sie verstehen, ihn auf seine Weise trauern lassen.«
    »Ich kann Ihnen immer noch nicht ganz folgen.«
    »Macht nichts.«
    »Okay. Sie kommen doch, oder? Sie und Ihre Partnerin?«
    «Höchstwahrscheinlich.«
    »Das wird richtig gut.« Boulware nickte. »Richtig, richtig gut.«
     
    Blitz und Bammel
    Bauchgestammel
    Beweis unzulässlich
    Macht