Cash

auf dem berühmten Foto, oder? Also hat er immerhin etwas davon, nicht? Ich meine, hätte schlimmer kommen können.«
    »Schon«, räumte er ein und wischte sich die Augen. »Also ...« Er nickte zum Koks, nur ein winziges Naschen noch. »Wie läuft's?«
    »Du meinst, das hier?« Sie wurde rot. »Nein, nein, ich bin nicht, das ist nur für die Doppelschicht. Das ist nur situationsbedingt.«
    »Nein, ich meinte, wie läuft's oben, der Job.«
    »Der? Der ist auch situationsbedingt.«
    Eric genehmigte sich eine Runde für den Gaumen, zur Stärkung für die nächste Frage. »Okay. Also. Was machst du eigentlich? In Wirklichkeit?« Dann: »Moment, nein. Lass mich raten. Riverdance.«
    Sie sah niedergeschmettert aus.
    »Was? Nein.«
    »Ich hab's dir erzählt, oder? Oder war das sarkastisch gemeint?«
    «Himmel, nein. Ich bin, ach, verdammt, was für ein Arschloch.« Dann schlüpfte sie aus ihrer Rolle und prustete ihm ins errötete Gesicht. »Ich studiere an der NYU.«
    »Ach, Gott sei Dank.« Hände über dem Herzen gekreuzt. »Ich wusste, dass du mir nicht zuhörst.« Jetzt bediente sie sich. »Ich habe, hatte viel um die Ohren.«
    «Hab ich gehört.«
    «Was hast du gehört?«
    «Dass du dabei warst.«
    »Ach ja?« Er wappnete sich für weiteren Mist.
    »Ich habe dich vorhin bei der Gedenkfeier gesehen«, sagte sie. »Warum hast du nicht bei den anderen gesessen?«
    »Warum?« Eric stockte, sah Ikes Vater auf seinen lodernden Sohn zustürzen. Er zuckte zusammen, als hätte man ihm in die Rippen gepiekst. »Das ist nicht so einfach«, sagte er. »Kanntest du ihn?«
    »Ihn? Nein. Aber der Kapellmeister? Im weißen Smoking? Ist ein alter Schulfreund.«
    »Ein Freund?« Direkter ging's nicht.
    »Ja.« Sie lächelte.
    »Wie Freund?«
    »Wen interessiert's?«
    Er wollte sie einfach nur küssen. Vielleicht noch eine Nase, Augen schließen ... Aber dann kam Billy Marcus zurück, wie ein Zug kam er angefahren, und Eric legte los. »Bei der Feier heute kam mir der Gedanke, dass es eins gibt, was das Publikum und die Jungs, die geschossen haben, verbindet, trotz all der Unterschiede ... Und das ist Narzissmus. Der Unterschied ist, und natürlich sind das jetzt Spekulationen, dass die Schützen narzisstisch sind? Aber ihre Ichbezogenheit hat kein richtiges Ich. Sie nehmen sich selbst und andere wahrscheinlich gar nicht so wahr, das heißt, außer ihren elementaren Bedürfnissen und, also, instinktiven Reaktionen auf bestimmte Situationen. Aber die, die - anderen? Wir? Auch Narzissten, nur ist in der Mitte der Ichbezogenheit ein Ich, ein bisschen zu viel Ich und in den meisten Fällen kein besonders attraktives, aber ...« Er überschlug sich vor Anspannung. »Das würde ich so gern mal jemandem erzählen.«
    »Hast du gerade«, sagte sie.
    »Was?«
    »Was«, äffte sie ihn nach, und Eric lachte; so merkwürdig.
    Da nahm er ihr Gesicht in die Hände, und sie ließ es zu, ließ es zu.
     
    »Okay«, sagte Billy und klopfte seine Taschen nach den Aufzeichnungen ab. »Okay.«
    Mayer Beck wartete mit seinem Stenoblock in der Hand.
    Marcus hatte ihn vor einer halben Stunde angerufen, im Bett mit seiner Freundin, die in drei Stunden zur Hochzeit ihrer Schwester nach Ghana zurückflog. Es war sehr gut möglich, dass ihr Studentenvisum nicht erneuert wurde und er sie nie wiedersah, aber da konnte man nichts machen.
    »Okay.« Billy hatte seine Notizen gefunden. »Die Polizei in dieser Stadt tut nach meinem Kenntnisstand ihr Möglichstes.« Das sagte er mit geschlossenen Augen, auswendig. »Nur wurde sie in diesem Fall von einer falschen, aber glaubwürdigen Zeugenaussage in die Irre geführt, und Zeit spielte hier eine wesentliche Rolle.«
    »Okay.« Beck schrieb.
    »Diese Person, dieser Eric Cash, hat nach meinem Kenntnisstand Einiges mitgemacht, aber mein Sohn ...« Billy schwieg. Beck sah auf. »Ich meine, hatte Eric Cash einen schweren Tag? Bestimmt. Bestimmt ...«
    »Ich verstehe«, murmelte Beck.
    »Ach, tatsächlich?«, fauchte Billy. Beck konnte das keramische Quietschen seiner Zähne hören.
    »Das war aufrichtig gemeint«, sagte Beck ruhig.
    Hinter ihnen fuhr auf dem East Broadway ein Lieferwagen mit Ohio-Kennzeichen an den Straßenrand, und eine heftig tätowierte irische Thrash-Metal-Band schleppte ihr Equipment in die Bar neben dem Gebäude des Jewish Daily Forward. Beck kannte die Band, Poteen, kannte die Bar, hätte vorgeschlagen, sich drinnen zu unterhalten, damit er diesen Mann mit irgendeinem Tröpfchen auflockern konnte,