Cash
Stadt stehen hinter niemandem.
Die Menschen in dieser Stadt sind Gaffer, dachte er, und ich bin der Autounfall.
»Penner sieht aus wie ... jetzt hier ... Ice-T.« Die Stimme in Mattys Rücken war jung, männlich und Latino. Matty klebte weiter das Belohnungsplakat ans Bushäuschen vor den Lemlichs, auf diesem war Eric Cashs Polizeizeichnung abgebildet, das klassische luchsäugige Stadtbeutetier, das aussah wie Jedermann, aber, so hatten sie beschlossen, besser als Niemand.
»Zweiundzwanzigtausend?«, fragte der Junge.
»Jawoll.«
»Hm.«
»Irgendwas gehört?« Matty wandte ihm absichtlich den Rücken zu, um ihn nicht zu verschrecken.
»Ich?« Der Junge schnaubte. »Nö.«
«Zweiundzwanzig ist eine Menge Kohle.«
»Ich meine, ich hab gehört, dass es ein Nigger aus Brooklyn war oder was.«
»Ach ja? Wo hast du das denn gehört?«
«Einfach so, aufgeschnappt, verstehen Sie?«
«Aber von jemand Bestimmtem?«
«Ich weiß, wer's mir erzählt hat, aber ...«
»Ja? Wer denn?«
Als keine Antwort kam, drehte sich Matty schließlich doch um, um den Jungen jedenfalls anzusehen, bevor er verschwand, aber er war zu langsam. Und dann ging er über die Straße, um die Lemlich-Flure anzusteuern, die Plakate dicht vor der Brust, eine Krepprolle wie ein Armband am Handgelenk.
Um sieben Uhr abends betrat Erics Freundin Alessandra frisch aus Manila in Begleitung eines Mannes das Restaurant.
Nach neun Monaten, mitten in seinem rasanten Ärger, war ihr unerwartetes Erscheinen für ihn so verwirrend, dass er erst auf halbem Weg zu ihrem Zweiertisch überhaupt begriff, wen er vor sich hatte. »Gott«, sagte er schließlich und blieb am Tisch stehen.
»Carlos.« Der Mann streckte die Hand aus. Er trug einen hohen schwarzen Pompadour wie ein mexikanischer Filmstar von einst.
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass du zurückkommst?« Während Eric dort stand und sich an eine Lehne klammerte, wurde er daran erinnert, was ihm an ihr gefallen hatte: diese durch und durch grünen Augen im herzförmigen Gesicht, der Rest nie mehr als eine Begleiterscheinung. Klug war sie wohl, das schon. Zwei Jahre hatten sie zusammen gelebt, für ihn ein Rekord, aber im Augenblick war er einfach nur durcheinander.
»Vielleicht solltest du dich mal eben setzen, Eric«, sagte sie. »Carlos und ich ...«
»... sind verliebt«, beendete er für sie den Satz und warf einen Blick durch den Raum. »Herzlichen Glückwunsch.«
«Danke.« Carlos reichte ihm erneut die Hand. »Und wie geht's sonst?«, fragte Eric. »Ich ziehe ganz nach Manila.«
«Okay.«
«Okay?«
»Was willst du hören?« Vor der Tür bildete sich ein Stau. »Willst du die Wohnung haben?«, fragte sie.
Bree kam geschäftig herbei, ein Tablett mit Aperitifs in der Hand. »Eric?«
»Ich, keine Ahnung, nur kurz.« Er riss sich zusammen, konzentrierte sich. »Wollt ihr beide heute Nacht da schlafen?«
«Wäre das ein Problem?«
»Ich glaub, ich spinne!«, schrie ein weiblicher Gast direkt vor der Tür. »Mein ganzes Leben ist da drin!«
Clarence, der Türsteher, rannte dem Handtaschendieb hinterher, und scheinbar alle im Berkmann erhoben sich halb von ihren Stühlen, um die vom Panoramafenster zur Norfolk Street eingerahmte Jagd zu verfolgen. Clarence hatte den Kerl am Nacken, noch bevor er aus dem Rahmen verschwunden war, das Restaurant jubelte.
»Eric?« Alessandra wartete.
»Was?«
»Wäre das ein Problem?«
«Was?«
»Heute Nacht hier zu schlafen?«
«Sehr.«
»Schon gut«, sagte Carlos zu Alessandra. »Wir können bei meiner Tante in Jersey City übernachten.«
«Ist das okay?«, fragte Eric.
»Klar«, sagte sie zögerlich. »Alles in Ordnung mit dir?«
«Mit mir alles in Ordnung?« Er wollte etwas Gescheites antworten, aber ... »Hast du heute Zeitung gelesen?«
«Worüber?«
»Diese Stadt«, sagte Lester Kaufman, ein Bein übergeschlagen, eine Hand träge an der Handschellenleiste baumelnd, »den Leuten geht's so gut, ja? Aber um nichts kann man die mehr bitten, so schlimm war's noch nie.«
Matty grunzte mitfühlend.
Laut Clarence war das Erste, was dieser Mann gesagt hatte, als er ihn nach dem versuchten Handtaschenraub vor dem Berkmann geschnappt hatte: »Lass mich gehen, und ich sage euch, wer den weißen Jungen erschossen hat.«
»Ich schwöre, Mann«, sagte Lester zum zehnten Mal in der letzten halben Stunde zu Matty, »das hab ich nur in der Panik gesagt. Praktisch das Erste, was mir in den Kopf kam. Was von meinem Kopf übrig ist.«
Leider
Weitere Kostenlose Bücher