Cash
jeden Tag aus dem Topf bedient, und gestern hatte er 2,50 $ pro Punkt abgeschöpft, ein neues Hoch beziehungsweise Tief für ihn.
Etwas Pelziges flitzte am Büro vorbei in Richtung Lagerraum, und Eric kritzelte sich eine Notiz, den Kammerjäger anzurufen. Dann sah er das verdammte Ding noch mal, jetzt in umgekehrter Richtung - eine Sinnestäuschung. Seit seiner Freilassung aus den Katakomben hatte er immer nur ein paar Stunden am Stück geschlafen, eine Mischung aus freiem Fall und spätem Alkohol. In der unterirdischen Stille des Büros legte er nun kurz den Kopf zwischen Kleingeld und Umschläge, schloss die Augen und dämmerte weg. Als er aufwachte, saßen Matty und Yolonda auf der anderen Seite des Spanholztisches, Yolonda mit jenem mitleidslosen Mitleid in den Augen, Matty undurchdringlich ... Als er aufwachte, stand er aufrecht und starrte die Ziegelwand an. Schüttelte sich, so gut er konnte, und widmete sich dem Bestücken der Umschläge, abgeschöpft um heute erstmals 3$ je Punkt. Höchstwahrscheinlich brach es ihm das Genick, aber er musste einfach raus aus dieser Stadt, aus diesem Leben, und dafür würde er alles Nötige tun.
Avner Polaner, ein großer, hagerer aschkenasisch-jemenitischer Israeli, saß vor der digitalen Lichtbildkartei, blickte lustlos auf die Fahndungsfotos, die jeweils im Sechserpack auf dem Monitor erschienen, und leierte »Nein, nein, nein«, den Kopf schräg auf dem Handballen.
Von den drei Raubüberfällen mit zwei dunkelhäutigen männlichen Tätern und einer Handfeuerwaffe stimmte Polaners Fall am saubersten mit dem von Ike Marcus überein: drei Uhr früh, nur ein paar Blocks weiter Ecke Delancey und Clinton. Die Kehrseite der Geschichte war, dass sich der Überfall vor zehn Tagen zugetragen hatte und Polaner dazu nie befragt worden war, weil er fünf Stunden nach dem Ereignis im Flugzeug nach Tel Aviv saß. Aber seit Eric Cash nicht mehr in Frage kam, war Avner für Matty und Yolonda so etwas wie die letzte Hoffnung.
»Nein, nein, nein.« Der Typ langweilte sich zu Tode.
Yolonda, die den Monitor bediente, warf Matty einen Blick zu.
Polaner war wohl Anfang dreißig, groß wie ein Basketballspieler, und hatte das lange Kräuselhaar oben zu einem Samuraiknoten zusammengebunden. Vor einer Stunde war er in den Dienstraum gekommen, über der Schulter ein Fahrrad, das so lang und schmal war wie er selbst, und Matty fand, dass er sich mit der geckigen Grazie eines Flamingos fortbewegte.
»Nein, nein, nein.« Dann tauchte er das Gesicht in seine Hände, »Okay, das reicht«, und fuhr zurück. »Also, ein dunkler Bengel mit Pistole ist ein dunkler Bengel mit Pistole, das ist der Preis, den man zahlt, wenn man hier wohnt, dass so was hin und wieder vorkommt, also macht man nicht so einen Blödsinn wie der Typ, von dem Sie mir gerade erzählt haben, man vergisst es einfach und geht seiner Wege. Man macht einfach weiter.«
»Fürchten Sie sich vor Rache?«
»Also, bitte. Ich war zwei Jahre lang an der libanesischen Grenze stationiert, da mache ich mir vor einer Kanone nicht gleich ins Hemd. Und im Übrigen, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, war ich nicht so blöd, ihm direkt ins Gesicht zu sehen, also verschwenden wir hier bloß alle unsere Zeit.« Er atmete tief ein und sammelte sich. »Wo das geklärt ist, habe ich mal eine Frage.«
Sie warteten.
»Was braucht es, um Harry Steele zu verhaften?«
»Etwas mehr Hintergrund, bitte, Avner.«
»Wissen Sie, weshalb ich gleich nach dem Überfall nach Tel Aviv geflogen bin, statt herzukommen, um mir dieses Zeug anzugucken? Um ein bisschen Schlaf zu kriegen.«
»Avner«, sagte Matty, »Hintergrund.«
»Von all seinen Mietern zahle ich Rekord, sechzehnhundert für eine Wohnung, die so klein ist, dass ich aus dem Zimmer muss, um meine Meinung zu ändern, weil alle anderen in dem Haus seit der Einwanderungswelle dort wohnen. Die Sozialhilfequeen unter mir zahlt sechshundert, die Hippiejungfer oben tausend, und der Millionär, ein Fünfundachtzigjähriger, der Fiorello La Guardia noch im Hausflur die Hand geschüttelt hat, der sich noch an den Sprudelmann erinnert, den Eismann und die Außenklos, dem drei Stundenmotels in der Bronx gehören und das halbe Kerhonkson, New York, der zahlt dreihundertfünfzig. Und Sie sollten mal sehen, wie die hausen, verkrustete Essensreste auf dem Herd, Duschvorhänge, auf denen Penicillin wachsen könnte, Katzenpisse auf dem Teppich, Kakerlaken, Mäuse ... Wissen Sie, was ich auf meinen Fußböden
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