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Cash

Cash

Titel: Cash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Price
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ein Mordfall«, patzte Matty zurück. »Die Schützen sind noch da draußen, und das Opfer hätten genauso gut Sie sein können.«
    Avner schien darüber nachzudenken, zog sich irgendwo hinter seine Waschbäraugen zurück und kehrte abrupt wieder. »Wissen Sie, was das Schlimmste ist?« Sanft lächelnd beugte er sich zu ihnen vor. »Jetzt will er auch noch Tische rausstellen.«
     
    Eric saß an der Bar mit einem Brandy Soda, die letzten Sonnenstrahlen, die durch die Jalousien fielen, schnitten ihm in die Haut. Zu seinem Erstaunen erkannte er Brees Silhouette durch die Fensterblende zur Rivington Street und hatte ihren Trinkgeldumschlag in der Hand, bevor sie durch die Tür trat. Sie stand vorne beim Pult und suchte nach ihm, und Eric dachte wieder: »Irische Augen«, halb Songtitel, ganz Klischee. Sie war vielleicht zwanzig, einundzwanzig, vierzehn, fünfzehn Jahre jünger als er, und trug eine klassische Hippiebluse in Hellorange und eine abgetragene Jeans, die am Hintern eine Nummer zu groß war. Er konnte sich vorstellen, dass sie heute Morgen aufgestanden war und sie aus einem Klamottenhaufen neben ihrer Bodenmatratze gegabelt hatte.
    »Hey.« Sie trat zu ihm an die Bar und nahm den Umschlag entgegen, dann atmete sie tief ein, als müsste sie sich einen Ruck geben. »Sieh mal.«
    Das tat er. Ihr Gesicht war so weiß, dass es hellblau schimmerte wie entrahmte Milch. Wie hatte dieser betrunkene Polizist das einmal genannt? Billige irische Haut.
    Wohl kaum.
    »Ich weiß nicht, für wen du mich hältst oder für wen du dich hältst, aber dein Ton gestern war völlig unangemessen.« Es klang zurechtgelegt, klang, als wäre es ihr nicht leicht gefallen, und es zog ihm den Teppich weg.
    »Völlig unangemessen«, pflichtete er ihr bei, die Hände, die den Umschlag hielten, fest im Blick. »Es tut mir leid.« Unversehens schickte er hinterher: »Das ist mir die ganze Nacht nicht aus dem Kopf gegangen, ich konnte gar nicht schlafen.« Die Worte kamen aus einer heiseren Kehle, der er dieser Tage selbst nicht traute, aber raus waren sie.
    Sie stand einen Augenblick abschätzend da und sagte dann langsam: »Ich auch nicht.«
    Und schon sprachen sie über etwas anderes.
    »Also, alles okay zwischen uns?« Eric zwang sich, ihr in die Augen zu sehen. »Klar.«
    Nun hätte sie ihres Wegs gehen sollen, zur Umkleide hinunter, doch sie zögerte, hing eine Sekunde hinter sich selbst her, und Eric wusste ganz genau um diese Extrasekunde; die ganze Welt steckte in dieser Extrasekunde. »Wo kommst du eigentlich her?«
    »Ich?« Die Frage schien sie zu erleichtern, sie waren nun auf einer Wellenlänge. »Hast du noch nie von gehört.«
    »Mal sehen.«
    »Tofte, Minnesota?«
    »Sicher?« Das brachte sie zum Lachen.
    Vierzehn, dreizehn Jahre Unterschied, höchstens.
    »Und wie lange bist du schon hier?«
    »Hier, New York?«
    »Hier New York.«
    »Sechs Wochen.« Ihre Augen loderten vor diesem ganzen Wahnsinn.
    Sechs Wochen ...
    »Und was bist du ...« Plötzlich hatte er das panische Gefühl, auszublenden.
    »Was ich bin? Von wegen Religion?«
    »Nein, nein. Was willst du ...« Er hatte Mühe, den Satz zu beenden, brachte kaum noch das »sein« heraus.
    »Am liebsten?« Was sie danach sagte, bekam er nicht mehr mit. »Interessant«, sagte er mechanisch. »Also.«
    Sie hörte die Zurückweisung in seiner Stimme und ging, Enttäuschung und Verwirrung vorwegnehmend, in Richtung Umkleide.
    »Moment«, rief er ihr nach, und als sie sich umdrehte mit diesen unerträglich hellen Augen, streckte er die Hand nach ihrem Umschlag aus. »Ich will noch eben prüfen, dass du auch den richtigen hast.« Er nahm den Umschlag mit in die Küche, sah ihn an, ohne ihn zu öffnen, kam wieder heraus und händigte ihr denselben, um 29 $ Dollar verminderten Betrag aus. »Perfekt.« Warf einen letzten Blick auf den Reispuder-Hals, die Perlmutt-Hände und dachte, Gnadenlos.
     
    Sie saßen alle auf Irma Nieves' Bett: Crystal, Little Dap, David, Irma, Fredro, Tristan und Devon, reichten den Blunt herum und aßen Chips, als Fredro unbedingt mit der Scheiße anfangen musste.
    »Bsssss.« Die anderen sahen ihn an.
    »Was?«
    Fredro nickte zu Tristans entblößtem Kinn und machte wieder »Bssss«. Es klang wie ein elektrisches Sirren: wie Tristans Zickzacknarbe quer über dem Mund.
    Die meisten kapierten es in ihrem bekifften Tran, sahen es und grölten sich weg, und Tristan spürte wieder einmal die resignierte Last, anderer Leute Lachnummer zu sein. Na, wenn es nicht

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