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Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Titel: Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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Bedenken gegen die unerwünschte Maßregel vor. »Eure Exzellenz dürften nicht überlegt haben, welche Verantwortung Sie mir damit aufbürden,« sagte er. »Wenn ich keine Kontrolle habe, wo der Mensch seine Zeit hinbringt, wie soll ich dann für seine Sicherheit Garantie bieten?«
    »Larifari,« knurrte Feuerbach; »ich kann einen erwachsenen Menschen nicht einsperren, damit Sie Ihre Nachmittagsstunden mit Gemütsruhe im Kasino versitzen können.«
    Hickel heftete einen bösen Blick auf seine Hände, antwortete aber mit einer nicht übel gespielten Treuherzigkeit: »Ich bin mir ja eines Lasters bewußt, das Eure Exzellenz so streng verurteilen. Immerhin, ein Plätzchen muß der Mensch doch haben, wo er sich wärmen kann, sonderlich wenn er ein Hagestolz ist. Wenn Sie in meiner Haut steckten, Exzellenz, und ich inder Ihren, würde ich milder über einen geplagten Beamten denken.«
    Feuerbach lachte. »Was ist Ihnen denn über die Leber gekrochen?« fragte er gutmütig. »Haben Sie Liebeskummer?« Er hielt den Polizeileutnant für einen großen Suitier.
    »In diesem Punkt, Exzellenz, bin ich leider zu hartgesotten,« entgegnete Hickel, »obgleich ein Anlaß dafür vorhanden wäre; seit einigen Tagen hat unsre Stadt die Ehre, eine ganz ausgezeichnete Schönheit zu beherbergen.«
    »So?« fragte der Präsident neugierig. »Erzählen Sie mal.« Er hatte, nicht zu leugnen, eine kleine naive Schwäche für die Frauen.
    »Die Dame ist bei Frau von Imhoff zu Besuch –«
    »Jawohl, richtig, die Baronin sprach davon,« unterbrach Feuerbach.
    »Sie wohnte zuerst im ›Stern‹,« fuhr Hickel fort, »ich ging ein paarmal vorüber und sah sie gedankenvoll am Fenster weilen, den Blick zum Himmel aufgeschlagen wie eine Heilige; ich blieb dann immer stehen und schaute hinauf, aber kaum daß sie mich bemerkte, trat sie erschrocken zurück.«
    »Na, das lass’ ich mir gefallen, das heißt gut beobachten,« neckte der Präsident, »es ist also schon eine Art Einverständnis geschaffen.«
    »Leider nein, Exzellenz; offen gestanden, für galante Abenteuer ist die Zeit zu ernst.«
    »Das sollt’ ich meinen,« bestätigte Feuerbach, und das Lächeln erlosch auf seinen Zügen. Er erhob sich und sagte energisch: »Aber sie ist auch reif, die Zeit. Ich gedenke am 28. April aufzubrechen. Sie nehmen vorher Dispens vom Amt und stellen sich mir zur Verfügung.«
    Hickel verbeugte sich. Er schaute den Präsidenten erwartungsvoll an, und dieser verstand den Blick. »Ach so,« sagte er. »Ich muß Ihnen allerdings zugeben, daß es sein Untunliches hat, den Hauser sich selbst zu überlassen. Anderseits ist es nicht billig, ihm die Welt vor der Nase zuzuriegeln. Davon mag er genug haben. Durch Einbuße an freiwilliger Betätigung wird ein zum Leben gewandter Wille ebenso empfindlich getroffen wie durch Ketten und Handfessel.« Er konnte nicht einig mit sich werden; wie immer dem Polizeileutnant gegenüber fand er sich in seinen Entschlüssen beengt; es war ein Anprall von Kraft, Jugend, Kälte und Gewissenlosigkeit, dem er dabei unterlag.
    »Aber Eure Exzellenz kennen doch die Gefahren –« wandte Hickel ein.
    »Solange ich in dieser Stadt die Augen offen habe, wird niemand wagen, ihm ein Haar zu krümmen, dessen seien Sie ganz gewiß.«
    Hickel hob die Brauen hoch und betrachtete wieder die gestreckten Finger seiner Hand. »Und wenn er uns eines Tages über alle Berge rennt?« fragte er finster. »Dem ist manches zuzutrauen. Ich schlage vor, daß man ihn wenigstens des Abends und auf Spaziergängen überwachen läßt. Bei Besorgungen in der Stadt mag er im Notfall allein bleiben. Dem alten Invaliden können wir den Laufpaß geben, und ich will statt dessen meinen Burschen abrichten. Er soll sich täglich um fünf Uhr nachmittags im Lehrerhaus melden.«
    »Das wäre eine Lösung,« sagte Feuerbach. »Ist der Mann verläßlich?«
    »Treu wie Gold.«
    »Wie heißt er?«
    »Schildknecht; ist ein Bäckerssohn aus dem Badischen.«
    »Erledigt; sei es so.«
    Als Hickel schon unter der Tür war, rief ihn der Präsident noch einmal zurück und schärfte ihm wegen der bevorstehenden gemeinsamen Reise unbedingtes Stillschweigen ein. Hickel versetzte, einer solchen Mahnung bedürfe es nicht.
    »Ich könnte die Reise keinesfalls allein unternehmen,« sagte der Präsident, »ich brauche die Hilfe eines umsichtigen Mannes. Die Gelegenheit muß sorgfältig ausgekundschaftet werden. Vorsicht ist geboten. Vergessen Sie niemals, daß ich Ihnen in dieser Sache

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