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Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)

Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)

Titel: Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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Siedlung gespielt hatten.
    »Ein bisschen schon«, gab sie zu und drehte mich um die eigene Achse. Es war, als würde ich in einen dunklen, kalten, flüsternden Strudel getaucht. Ich musste an Kys Kompass denken, dessen Pfeil immer nach Norden zeigte, egal, wie oft man ihn drehte, und wie jedes Mal durchfuhr mich ein schmerzlicher Stich bei der Erinnerung daran, wie ich sein kostbares Geschenk eingetauscht hatte.
    »Sie sind sehr vertrauensvoll«, bemerkte die Frau.
    Ich antwortete nicht. Damals in Oria hatte Ky mir gesagt, die Archivisten seien nicht besser oder schlechter als jeder andere. Daher war ich mir nicht sicher, ob ich ihr trauen konnte, aber ich musste das Risiko eingehen. Sie nahm mich am Arm, und ich begleitete sie, ungeschickt die Füße hebend, um nicht zu stolpern. Der Boden unter meinen Füßen fühlte sich kalt und hart an, und nur ab und zu spürte ich irgendwelche abgestorbenen Pflanzen.
    Die Frau blieb stehen, ich hörte ein Rascheln und Schaben, als zöge sie etwas beiseite. Plastikfolie , dachte ich , die weißen Abdeckungen über den Gebäuderesten . »Das Versteck ist unterirdisch«, erklärte die Frau. »Wir steigen ein paar Stufen hinunter und folgen dann einem langen Gang. Gehen Sie langsam und vorsichtig!«
    Ich wartete, doch sie regte sich nicht.
    »Sie zuerst«, sagte sie.
    Ich stützte mich rechts und links mit beiden Händen an den Wänden ab, die eng beieinanderlagen. Ich spürte alte, bemooste Backsteine. Mit einem Fuß tastete ich mich voran und ging die erste Stufe hinunter.
    »Woher weiß ich, wann die Treppe zu Ende ist?«, fragte ich die Frau, wobei mich die Worte und die Art, wie ich fragte, an mein Lieblingsgedicht aus den Canyons erinnerte. Ich hatte es in den Höhlen der Farmer gefunden, und es schien von meiner Reise zu Ky zu handeln:
    Dich hab ich nicht erreicht –
    Doch nähert Tag für Tag
    Sich dir mein Fuß
    Drei Flüsse noch und einen Berg
    Ich überqueren muss.
    Noch eine Wüste, noch ein Meer,
    Die Reise aber zähl ich nicht,
    Wenn ich dann vor Dir steh.
    Als ich die letzte Stufe erreichte, rutschte ich fast aus.
    »Gehen Sie weiter«, sagte die Frau hinter mir. »Tasten Sie sich einfach an der Wand entlang.«
    Ich fuhr mit der rechten Hand über die Backsteine, und Schmutz krümelte unter meinen Fingern. Nach einer Weile spürte ich, wie wir an eine Öffnung im Mauerwerk gelangten, hinter der sich ein großer Raum befinden musste, denn meine Schritte hallten darin wider, und ich hörte noch andere Geräusche, das Schlurfen von Füßen, das Atmen von Menschen. Ich merkte, dass wir nicht allein waren.
    »Hier entlang«, sagte die Frau, fasste mich am Arm und führte mich, weg von den Geräuschen der anderen.
    Schließlich blieben wir stehen, und die Frau sagte: »Wenn ich Ihnen die Augenbinde abnehme, sehen Sie die Gegenstände, die Ihnen jemand über uns hat zukommen lassen. Einige fehlen, wie Sie bemerken werden; sie waren der Preis für die Lieferung, der Absender weiß davon.«
    »In Ordnung«, sagte ich.
    »Bitte nehmen Sie sich Zeit, alles genau durchzusehen«, fuhr die Frau fort. »Es kommt dann jemand, der Sie zurückbegleitet.«
    Ich war desorientiert, und in dem unterirdischen Raum herrschte nur Dämmerlicht, deswegen brauchte ich eine Weile, um zu erfassen, was ich sah. Ich stand zwischen zwei Reihen langer, leerer Metallregale, die glatt und sauber aussahen, als pflege sie jemand und staube sie regelmäßig ab. Dennoch erinnerten sie mich an die Krypta eines Grabmals, das wir uns in einem der Hundert Kapitel aus der Geschichte angesehen hatten. Mauernischen waren mit Knochen gefüllt und Steinsarkophage mit Menschenreliefs verziert gewesen. So viel Tod , hatte der Kommentar der Gesellschaft gelautet, ohne die Hoffnung auf ein späteres, neues Leben. Damals wurden noch keine Gewebeproben konserviert .
    In der Mitte des Regals vor mir entdeckte ich ein großes, in dicke Plastikfolie gewickeltes Paket. Als ich eine Ecke der Folie löste, kam darunter Papier zum Vorschein. Die Gedichte, die ich aus den Canyons gerettet hatte. Von den Seiten schien ein Geruch nach Wasser, Staub und Sandstein aufzusteigen.
    Ky! Er hat es geschafft, sie mir zu schicken!
    Ich legte eine Hand auf die Seiten, atmete tief ein und hielt die Luft an. Auch er hat sie berührt.
    Ich fühlte mich an das Ufer des Flusses zurückversetzt. Der Strom rauschte, Schnee fiel, wir verabschiedeten uns, ich stieg ins Boot, wir legten ab, und er rannte am Ufer entlang. Den ganzen Fluss hinunter

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