Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
Das kann ich einfach nicht glauben. Ist Bram versunken? Das kann und will ich mir nicht vorstellen.
»Jetzt haben Sie wohl einen Anreiz, mir alles zu erzählen, was Sie wissen«, drängt der Steuermann. »Für wen arbeiten Sie? Sind Sie Gesellschaftssympathisanten? Oder Anhänger einer anderen Gruppierung? Hat Ihre Gruppe das mutierte Virus eingeschleust? Haben Sie ein Heilmittel?«
Zum ersten Mal erlebe ich mit, wie er die Kontrolle verliert, zwar nur beim letzten Wort, Heilmittel , aber daran merkt man, wie verzweifelt und getrieben er ist. Er braucht das Heilmittel! Er würde alles dafür tun, es zu finden.
Aber wir haben es nicht. Er vergeudet seine Zeit mit uns. Was können wir schon ausrichten? Und wie sollen wir ihn davon überzeugen, dass wir die Falschen sind?
»Ich weiß, dass Sie eine Lösung kennen«, fährt der Steuermann fort, nun wieder schmeichelnd und sanft. »Zwar hat Ihr Vater sich für die Gesellschaft und gegen die Erhebung entschieden, aber Ihr Großvater hat für uns gearbeitet. Außerdem sind Sie natürlich die Urenkelin von Steuerfrau Reyes und haben uns früher schon geholfen, auch wenn Sie sich nicht daran erinnern können.«
Den letzten Teil des Satzes höre ich kaum noch.
Meine Urgroßmutter! Sie war die Steuerfrau!
Sie hat meinem Großvater Gedichte aufgesagt und Lieder vorgesungen, die nicht unter den erlaubten Einhundert waren, obwohl sie zum Auswahlgremium der Kulturgüter gehörte. Sie hat das Gedicht gerettet, das ich verbrannt habe.
»Ich habe Steuerfrau Reyes nie persönlich kennengelernt«, fährt der Steuermann fort. »Aber ich kenne ihre Schriften, sie war die rechte Steuerfrau zur rechten Zeit. Sie stand vor meinem Vorgänger am Ruder. Sie sorgte dafür, dass Wissen erhalten blieb, und schuf die Grundlagen für unsere späteren Aktivitäten. Doch eines gilt für alle Lenkerinnen und Lenker gleichermaßen: Wir müssen uns bewusst sein, was es bedeutet, Steuermann zu sein. Ihre Urgroßmutter wusste genau, dass man in dem Moment scheitert, in dem man keine Rettung bringt. Und sie wusste, dass der kleinste Rebell, der seine Pflichten erfüllt, genauso wichtig ist wie der Steuermann an der Spitze. Sie glaubte es nicht nur, sie war von dieser Wahrheit restlos überzeugt.«
»Wir haben nichts getan …«, beginne ich, aber plötzlich geht das Schiff in den Sinkflug, immer schneller.
Ky verliert das Gleichgewicht und stürzt gegen die Kisten an der Wand. Xander und ich eilen ihm zu Hilfe.
»Mir ist nichts passiert«, ächzt Ky. Durch das Dröhnen der Triebwerke verstehe ich ihn kaum, und dann folgt eine abrupte, harte Landung. Der Ruck fährt mir durch den ganzen Körper.
Ky sagt: »Sobald er den Frachtraum öffnet, fliehen wir. Wir können es schaffen!«
»Nein, Ky!«, erwidere ich.
»Wir können an ihm vorbeikommen«, insistiert Ky. »Wir sind drei gegen einen.«
»Zwei«, wendet Xander ein. »Ich komme nicht mit.«
»Aber hast du denn nicht zugehört?«, fragt Ky erstaunt.
»Doch«, sagt Xander. »Der Steuermann will ein Heilmittel finden, und ich auch. Also werde ich ihm helfen, so gut ich kann.« Xander blickt mich an, und ich erkenne, dass er noch immer an den Steuermann glaubt. Er stellt ihn über alles andere, in diesem Fall zumindest.
Er hat auch gute Gründe dafür. Ky und ich haben ihn im Stich gelassen. Ich habe Xander nie das Schreiben beigebracht oder ihn über sein bisheriges Leben ausgefragt, weil ich glaubte, ohnehin alles darüber zu wissen. Doch als ich Xander jetzt ansehe, wird mir klar, dass ich keineswegs alles wusste und inzwischen sehr vieles nicht mehr weiß. Er hat seine eigene Reise zurückgelegt und ist verändert daraus hervorgegangen.
Außerdem hat er recht. Alles, was zählt, ist das Heilmittel. Dafür müssen wir jetzt kämpfen!
Ich bin das Zünglein an der Waage. Die Männer warten auf meine Entscheidung. Und diesmal wähle ich Xander, oder besser, ich ergreife für ihn Partei. Zu Ky sage ich: »Lass uns mit dem Steuermann reden und noch einmal verschiedene Dinge klären.«
»Willst du das wirklich?«, fragt Ky.
»Ja«, sage ich, und der Steuermann öffnet die Klappe des Frachtraums. Ky geht zuerst ins Cockpit, dann folgen Xander und ich. Ich übergebe dem Steuermann den Datenpod mit den Bildern meiner Eltern.
»Die Galerie diente als Treffpunkt für Kreative und Kunstinteressierte«, erkläre ich dem Steuermann, »und die Sache mit den blauen Tabletten war ein Versehen, ein Unfall. Wir hielten sie für hilfreich und wussten
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