Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
wie typisch das für ihn ist: Immer hat er mir noch etwas zu geben, wenn man meinen könnte, dass Loslassen die einzige Möglichkeit sei.
Kapitel 26
Ky
»Ky!«, sagt Cassia. Ob es das letzte Mal ist, dass mich der Klang ihrer Stimme erreicht? Kann man als Versunkener noch etwas hören?
Schon, als ich im Luftschiff das Gleichgewicht verloren habe, wusste ich, dass ich krank war. Mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Die Muskeln waren schlapp, die Knochen steif.
Xander kniet sich neben mich. Ich erhasche einen Blick auf sein Gesicht. Er denkt, er könne ein Heilmittel finden. Xander ist nicht blind, nur gläubig. Es tut weh, das mit anzusehen.
Dann sehe ich wieder Cassia an. Ihre Augen sind kühl und grün. Wenn ich hineinblicke, geht es mir besser, und der Schmerz wird für einen Moment gelindert.
Dann kehrt er wieder.
Jetzt weiß ich, warum die an der Seuche Erkrankten nicht lange gegen das Versinken ankämpfen.
Wenn ich den Kampf aufgebe, gewinnt die Erschöpfung die Oberhand, und das erscheint mir als das kleinere Übel. Lieber schlafen als diese Schmerzen ertragen zu müssen. Die ursprüngliche Seuche war wesentlich weniger schlimm als die Seuche, die durch das mutierte Virus ausgelöst wurde. Denn sie hat nicht die Entzündungen hervorgerufen, die inzwischen schon meinen ganzen Körper schwächen.
Rotweiße Blitze trüben meine Sicht. Die Furcht beschleicht mich, dass die Schmerzen mich auch dann noch quälen könnten, wenn ich versunken bin.
Cassia berührt meinen Arm.
In den Canyons waren wir frei, wenn auch nicht für lange. Sie hatte Sand auf der Haut und den Geruch von Wasser und Gestein in den Haaren. Ich bilde mir ein, nahenden Regen zu riechen. Werde ich schon bewusstlos sein, wenn er kommt, so dass ich mich später nicht mehr daran erinnern kann?
Es ist gut, zu wissen, dass Xander hier ist. Cassia bleibt nicht allein zurück, wenn ich versinke.
»Du bist durch die Canyons gewandert, um mich zu finden«, flüstere ich Cassia zu. »Ich überwinde die Seuche, um bei dir anzukommen.«
Cassia hält meine eine Hand, in der anderen spüre ich die Knospe, die sie mir gegeben hat. Die Luft in den Bergen ist schön kühl. Ich spüre es, wenn wir unter Bäumen hindurchgehen. Hell. Dunkel. Hell. Irgendwie angenehm, so getragen zu werden. Mir ist mein Körper zu schwer geworden.
Dann verschlimmern sich die Schmerzen. Rotglühend durchziehen sie mich, und ich sehe nur noch Rot durch meine geschlossenen Augenlider.
Cassia lässt meine Hand los.
Nein! , möchte ich rufen. Lass mich nicht allein!
Stattdessen höre ich Xanders Stimme. Er redet mir gut zu. »Wichtig ist, dass du nicht vergisst zu atmen. Wenn du den Schleim aus den Lungen nicht abtransportierst, droht die Gefahr einer Lungenentzündung.« Nach einer Pause fährt er fort: »Es tut mir leid, Ky. Wir finden ein Heilmittel. Versprochen.«
Dann ist er fort, und Cassia hält wieder meine Hand, sanfter diesmal. Sie sagt: »Was der Steuermann auf dem Schiff rezitiert hat, war ein Gedicht, das ich für dich geschrieben habe. Ich habe es tatsächlich vollendet.«
In leisem Singsang trägt sie es mir vor. Ich atme.
Neorosen, alte Rosen, Spitzen, weiß und rein.
Wasser, Flüsse, weite Seen und Sonnenschein.
Winde wehen unter Bäumen, über jeden Hügelkamm.
Weithin jenseits aller Grenzen, die man sehen kann.
Ich steige ins Dunkel für dich.
Wartest du in den Sternen auf mich?
Ja, das werde ich.
Was immer geschieht, sie wird sich an mich erinnern, und ihre Erinnerungen kann ihr keiner nehmen, weder die Gesellschaft noch die Erhebung. Zu viel ist geschehen. Und zu viel Zeit ist vergangen.
Sie wird wissen, dass ich gelebt habe. Und sie geliebt habe.
Das wird sie nie vergessen, es sei denn, sie will es.
Kapitel 27
Xander
Im Dorf herrscht reges Treiben. Überall sind Menschen, die Kinder rennen die Wege entlang und spielen auf einem großen Stein in der Mitte der Siedlung. Anders als die Skulpturen der Gesellschaft ist dieser Stein nicht glattgeschliffen, sondern genauso rau und zerklüftet, wie er vor Jahren von der Felswand abgebrochen und heruntergestürzt ist. Offenbar haben die Leute ihr Dorf um diesen Felsbrocken herum gebaut. Die Kinder schauen uns an, als wir vorbeikommen, neugierig, aber nicht ängstlich. Das freut mich.
Die Krankenstation befindet sich in einem langgestreckten Holzgebäude jenseits des Dorfsteins. Wir betreten es und heben Ky vorsichtig von der Trage auf ein Krankenbett.
»Ihr beiden kommt jetzt bitte zur
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