Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
Hotelhalle wartete, da Kitty es nicht gerne sah, wenn er mit den Mädchen plauderte.
Dann gingen wir einkaufen. Ich hatte den schönen, blauen Mantel an, den Cal ausgesucht hatte und der genau paßte. Leider war alles, was Kitty gekauft hatte – Röcke, Blusen, Pullover und Unterwäsche –, eine Nummer zu groß, und die klobigen, weißen Halbschuhe, von denen sie meinte, daß ich sie unbedingt tragen müßte, gefielen mir überhaupt nicht. Sogar die Mädchen in Winnerrow trugen hübschere Schuhe als diese. Ich versuchte, es Kitty zu sagen, aber Kitty bestand darauf, denn ihr fiel ein, daß sie selbst früher ähnliche getragen hatte. »Schluß jetzt! Kinder tragen keine modischen Schuhe in der Schule!«
Als wir zurück zum Wagen gingen, war ich trotzdem glücklich über all die vielen Kleider. So viele hatte ich noch nie in meinem Leben besessen. Drei Paar Schuhe! Darunter ein Paar ausgesprochen hübsche Sonntagsschuhe für den morgigen Kirchgang.
Wieder aßen wir in einem Schnellimbiß, was Cal keineswegs zu behagen schien. »Kitty, du weißt doch, daß ich diese fettige Pampe nicht leiden kann.«
»Du wirfst gutes Geld aus dem Fenster, nur um damit anzugeben. Mir ist es vollkommen egal, was ich ess! Hauptsache, ‘s ist billig.«
Daraufhin wurde Cal sehr einsilbig und machte eine finstere Miene und überließ es nun Kitty, mir alle Sehenswürdigkeiten zu erklären, während er uns chauffierte. »Das ist die Schule, wo du Montag hingehst«, sagte sie, als wir an einem großen Gebäude aus roten Ziegeln vorbeifuhren. »Wenn’s regnet, kannst du mit dem gelben Bus fahren und an sonnigen Tagen zu Fuß gehen. Cal, Darling, haben wir ihr alles für die Schule besorgt?«
»Ja.«
»Warum bist du eingeschnappt?«
»Ich bin nicht taub. Brüll mich nicht an.«
Sie kuschelte sich an Cal, worauf ich mich zurücklehnte, um nicht zu sehen, wie sie sich während der Fahrt küßten.
Er räusperte sich. »Wo schläft denn Heaven heute?«
»Bei uns, Schätzchen – hab’ ich dir’s nicht erklärt, wie wild die Hillbilly-Mädchen ‘s treiben?«
»Yeah, hast’s mir schon erklärt«, antwortete er sarkastisch, und danach sprach er kein Wort mehr, auch dann nicht, als wir uns vor den Fernseher setzten und ich meine erste Fernsehshow in Farbe sah. Ich war atemlos vor Aufregung. Wie schön doch die Tänzerinnen in ihren knappen Kostümen aussahen. Als nächstes folgte ein Horrorfilm, und Cal verschwand aus dem Zimmer.
Ich hatte gar nicht bemerkt, daß er hinausgegangen war. »Macht er immer, wenn er wütend ist«, bemerkte Kitty und schaltete den Fernseher ab. »Versteckt sich im Keller und tut so, als würd’ er arbeiten. Bade dich jetzt, und wasch dir die Haare. Ich werd’ nicht reinkommen.« Sie hielt inne und schien nachzudenken. »Jetzt muß ich mal zu meinem Süßen hinunter und ihm ‘n bißchen schmeicheln.« Kichernd ging sie durch die Küche und ließ mich zurück. Endlich konnte ich ein Bad in der rosafarbenen Wanne alleine genießen.
Es war mir zuwider, auch diese Nacht zwischen Kitty und Cal zu schlafen. Furchtbar, wie sie ihn aufreizte und quälte. Sie erweckte in mir den Eindruck, daß sie ihn eigentlich nicht so sehr liebte wie er sie. Haßte Kitty die Männer eigentlich?
Am Sonntag war ich wieder als erste wach. Barfüßig tappte ich die Treppen hinunter, eilte durch die Küche und suchte die Kellertür. Schließlich fand ich sie in einem kleinen Gang. Als ich mich endlich unten im Halbdunkel zurechtfand, suchte ich in dem Gerümpel, das Kitty für nicht sauber und ordentlich hielt, bis ich meinen Koffer hoch oben auf einem Regal über einer Werkbank fand. Großmutters Schal lag fein säuberlich gefaltet daneben. Ich kletterte auf einen Schemel, um den Koffer herunterzuholen und fragte mich, ob Cal ihn wohl geöffnet hatte.
Alles lag so, wie ich es das letzte Mal gesehen hatte. Meine sechs Lieblingsbücher, die mir Miß Deale geschenkt hatte, waren auch noch da… Auch das Buch mit den schönsten Kindergedichten, die Keith und Unsere-Jane immer so gern vor dem Schlafengehen hörten. Beim Anblick des Buches füllten sich meine Augen mit Tränen… »Erzähl uns eine Geschichte, Hevlee… Eine lange, Hevlee! Lies noch mal, Hevlee!«
Ich setzte mich auf die Werkbank, zog ein Notizbuch heraus und begann einen Brief an Logan zu schreiben. Schnell und wie in höchster Gefahr schrieb ich ihm über meine hoffnungslose Situation, wie dringend ich Tom, Keith und Unsere-Jane finden mußte und ob er nicht
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