Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
nicht?«
»Doch, ich liebe sie«, gestand er barsch. »Wie könnte ich sie nicht lieben, da ich weiß, warum sie so geworden ist? Aber eines möchte ich dir sagen, solange ich die Gelegenheit dazu habe; es gibt Zeiten, da kann Kitty sehr gewalttätig sein. Ich weiß, sie hat dich in der ersten Nacht hier gezwungen, dich in heißes Badewasser zu setzen, aber ich habe nichts gesagt, da du keine bleibenden Schäden davongetragen hast. Wenn ich etwas gesagt hätte, dann wäre sie bestimmt bei der nächstbesten Gelegenheit noch schlimmer zu dir gewesen. Achte darauf, daß du alles tust, was sie verlangt. Schmeichle ihr und sage ihr, daß sie jünger als ich aussieht… und folge ihr, folge ihr und sei demütig.«
»Das verstehe ich nicht!« rief ich. »Warum braucht sie mich dann, außer um ihre Sklavin zu sein?«
Er hob überrascht die Augen. »Heaven, hast du es immer noch nicht erraten? Du bist für sie das Kind, das sie von deinem Vater erwartet hat und das sie abtreiben mußte. Jetzt kann sie keine anderen Kinder mehr kriegen. Sie liebt dich, weil du ein Teil von ihm bist, und aus dem gleichen Grund haßt sie dich. Über dich hofft sie eines Tages an ihn heranzukommen.«
»Um ihn durch mich zu verletzen?«
»Etwas in der Art.«
Ich lachte bitter. »Arme Kitty. Vater haßt von allen seinen fünf Kindern ausgerechnet mich. Sie hätte Fanny oder Tom nehmen sollen, das sind die Kinder, die Vater liebt.«
Er drehte sich zu mir und nahm mich zärtlich in seine Arme, so wie ich es mir immer von Vater gewünscht hatte. Ich schluchzte und klammerte mich an den Mann, der doch fast ein Fremder für mich war. Mein Hunger nach Liebe war so groß. Ich schämte mich danach und weinte fast. Er räusperte sich und ließ mich los. »Heaven, Kitty darf unter keinen Umständen erfahren, was du mir gerade erzählt hast. Solange du für deinen Vater kostbar bist, so lange bist du es auch für sie. Verstehst du?«
Er mochte mich. Ich sah es seinen Augen an, und in der Gewißheit, daß ich ihm etwas anvertrauen konnte, erzählte ich ihm von dem Koffer und dessen Inhalt. Er hörte mir so zu, wie es Miß Deale getan hätte, voller Mitgefühl und Verständnis.
»Eines Tages werde ich dorthin gehen, Cal, nach Boston, um die Familie meiner Mutter zu finden. Und ich werde die Puppe mitbringen, damit sie gleich erkennen, wer ich bin. Aber ich kann erst gehen, wenn ich…«
»Ich weiß schon«, sagte er mit einem Lächeln, und seine Augen glänzten. »Du mußt Tom, Keith und Unsere-Jane mitnehmen. Warum nennst du eigentlich deine kleine Schwester Unsere-Jane?«
Wieder lachte er, als ich es ihm erzählte. »Deine Schwester Fanny scheint ja eine tolle Nummer zu sein. Werde ich sie jemals treffen?«
»Das hoffe ich doch«, sagte ich, runzelte aber besorgt die Stirn. »Sie lebt jetzt bei Reverend Wise und seiner Frau. Sie nennen sie Louisa, nach ihrem zweiten Vornamen.«
»Aha, der gute Reverend Wise«, sagte Cal sehr ernst und nachdenklich, »der wohlhabendste und erfolgreichste Mann in Winnerrow.«
»Magst du ihn nicht?«
»Mir ist jeder Mann verdächtig, der so erfolgreich und dabei so fromm ist.«
Es war ein gutes Gefühl, mit Cal zusammen zu sein, mit ihm zu arbeiten, ihm zuzuschauen und dabei zu lernen. Vor einer Woche noch hätte ich es mir nie vorstellen können, daß ich mich so wohl bei einem Mann fühlen könnte, den ich kaum kannte. Ich war schüchtern, aber begierig, mich mit ihm anzufreunden, ihn als Ersatzvater und Vertrauten zu gewinnen. Jedesmal wenn er mich anlächelte, wußte ich, daß er dies alles für mich sein könnte.
Unser Auflauf brutzelte im Ofen, das Brot, das ich gebacken hatte, war abgekühlt, aber Kitty war noch immer nicht zu Hause und hatte auch nicht Bescheid gesagt. Ich sah, wie Cal ein paarmal verstohlen auf seine Armbanduhr sah, tiefe Sorgenfalten hatten sich zwischen seinen Brauen eingegraben. Warum rief er nicht einfach an, um nachzufragen?
Kitty kam erst um elf Uhr abends nach Hause, während Cal und ich im Wohnzimmer vor dem Fernseher saßen. Der Rest des Auflaufs war schon längst angetrocknet und daher bestimmt nicht mehr besonders schmackhaft. Trotzdem aß sie mit Appetit, als mache ihr lauwarmes und vertrocknetes Essen nichts aus. »Hast’s allein gekocht?« fragte sie mich dann.
»Ja, Mutter.«
»Hat Cal dir nicht geholfen?«
»Doch, Mutter. Er hat mir gesagt, ich soll keine kohlenhydrathaltigen Speisen kochen, und er hat mir beim Salat geholfen.«
»Hast du deine Hände vorher mit
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