Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
dies sagte; aber ich hörte ein sehnsüchtiges Verlangen aus seiner Stimme heraus und fühlte mich schuldig. Ich schluckte und bebte und versuchte, nicht daran zu denken, worauf er angespielt hatte.
»Außerdem mußt du einmal ausspannen. Du machst zuviel, um Kitty zu pflegen, trotz der Krankenschwester. Und ich kann es nicht zulassen, daß du die Schule aufgibst, um sie zu pflegen. Das Schlimme ist, es scheint Kitty nichts zu fehlen, sie scheint nur den Wunsch zu haben, zu Hause zu bleiben und fernzusehen.«
»Wach auf und zeig Cal, daß du ihn liebst, bevor es zu spät ist«, schrie ich Kitty an und wollte ihr klarmachen, daß sie Gefahr lief, ihren Mann zu verlieren. Durch ihre Kälte, ihre Grausamkeit und ihre Unfähigkeit zu geben, hatte sie ihn dazu getrieben, daß er sich mir zugewandt hatte.
Als Cal wieder zu Hause war, sagte ich mit leiser, verängstigter Stimme, ich wollte ihn jetzt, wo er niemanden hatte, nicht im Stich lassen. »Kitty würde nicht den ganzen Tag und die ganze Nacht regungslos daliegen, wenn sie nicht wirklich krank wäre.«
»Aber ich habe veranlaßt, daß sie von den besten Medizinern untersucht worden ist. Die haben alle erdenklichen Untersuchungen gemacht und nichts gefunden.«
»Erinnerst du dich, wie die Ärzte dir ihre Diagnose gegeben haben? Sie haben zugegeben, daß ihnen der menschliche Körper manchmal ebenso große Rätsel aufgibt wie uns. Auch wenn der Neurologe gesagt hat, daß sie vollkommen gesund ist, so kann doch niemand in ihren Kopf schauen, nicht wahr?«
»Heaven, Kittys Pflege ruiniert unser beider Leben. Ich kann dich nicht so oft haben, wie ich es brauche. Zuerst dachte ich, du wärst ein Segen.« Er lachte kurz und hart auf. »Wir müssen Kitty nach Winnerrow bringen.«
Hilflos sah ich ihm in die Augen und wußte nicht, was ich dazu sagen sollte.
Kitty lag in ihrem Bett in einem pinkfarbenen Nachthemd und darüber eine farblich passende Bettjacke, die mit kleinen Rüschen besetzt war. Ihre gepflegten roten Haare wurden immer länger und hübscher.
Ihre Muskeln waren nicht mehr so schlaff wie früher, und ihre Augen blickten uns nicht mehr ganz so leer und apathisch entgegen. »Wo wart ihr?« hauchte sie und schien nicht besonders interessiert.
Noch bevor ihr einer von uns antworten konnte, war sie eingeschlafen. Mitleid übermannte mich beim Anblick dieser einst starken, gesunden Frau, die wohl für den Rest ihrer Tage stumpfsinnig bleiben sollte.
Erregung, Erleichterung und eine merkwürdige Vorfreude auf Winnerrow hatten mich gepackt, als hätte es dort jemals etwas anderes als nur Leid für mich gegeben.
»Cal, manchmal kommt es mir vor, als ginge es ihr besser«, sagte ich, nachdem wir ihr Zimmer verlassen hatten.
Seine braunen Augen wurden schmal. »Wie kommst du darauf?«
»Ich weiß es nicht. Es liegt nicht an dem, was sie tut oder nicht tut. Nur wenn ich in ihrem Zimmer bin und ihre Sachen auf dem Frisiertisch abstaube, habe ich das Gefühl, daß sie mich beobachtet. Einmal habe ich aufgeschaut, und ich könnte schwören, daß ich eine Regung in ihren Augen sah und sie nicht wie sonst ins Nichts starrten.«
Seine Augen blickten gehetzt. »Um so mehr Grund, schnell zu handeln, Heaven. Seitdem ich dich liebe, ist mir klargeworden, daß ich Kitty nie geliebt habe. Ich bin nur einsam gewesen und wollte die Leere in meinem Leben füllen. Ich brauche dich; ich liebe dich so sehr, daß ich es kaum ertragen kann.« Seine Lippen berührten meine und versuchten, in mir die gleiche Begierde zu erwecken, die er für mich empfand; seine Hände taten das Ihre, um mich auf den Höhepunkt der Erregung zu bringen, den er so leicht erreichte. Aber warum hatte ich dabei jedesmal das Gefühl, daß ich eine Ertrinkende sei? Ich versank, wenn wir uns liebten.
Er beherrschte mich mit seinem Körper, seinem Willen und seinen Wünschen so sehr, daß ich anfing, ebensoviel Angst vor ihm zu haben wie früher vor Kitty. Nicht daß er mir jemals körperlich etwas antat… Es waren seelische und moralische Verletzungen, die unheilbar waren. Trotzdem liebte ich ihn, und ich hatte den gleichen unersättlichen, brennenden Hunger, zärtlich geliebt zu werden, wie er.
Ich würde Tom finden, Großvater sehen, Fanny besuchen und Keith und Unsere-Jane ausfindig machen. Ich unterzog mich selbst einer Art Gehirnwäsche, indem ich immer und immer wieder diese Litanei wiederholte. Winnerrow wurde zu meinem Zufluchtsort, wo alle Lösungen parat lagen.
18. KAPITEL
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