Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
dann wieder dachte ich Nein!, ich war die Tochter meiner Mutter, eine halbe Bostonerin… aber… aber… ich hatte die Schlacht verloren.
Ich war die Schuldige.
Ich hatte es provoziert. Es ging mir wie Fanny, die auch dazu getrieben wurde.
Natürlich wußte ich schon lange von Cals geheimer Leidenschaft für mich; ein Mädchen, zehn Jahre jünger als er, das ihm von Kitty auf tausenderlei Arten praktisch angeboten worden war. Ich verstand Kitty nicht, aber seit dem furchtbaren Tag, an dem sie meine Puppe verbrannt hatte, hatte sich sein Verlangen nach mir fast ins Unendliche gesteigert. Er kannte keine anderen Frauen, er hatte eigentlich keine richtige Ehefrau, und er war zweifellos ein normaler Mann, der eine Art Ventil brauchte. Wenn ich ihn immer abwies, würde er mich dann in Ruhe lassen? Ich liebte ihn, und ich fürchtete mich vor ihm; ich wollte ihm gefallen und ihn gleichzeitig auf Distanz halten.
Jetzt konnte er mich jedoch öfter abends ausführen, da Kitty im Krankenhaus lag und alle erdenklichen Untersuchungen über sich ergehen lassen mußte. Trotzdem fand man nichts. Und Kitty sagte nichts, was den Ärzten einen Hinweis auf ihre geheimnisvolle Krankheit hätte geben können.
In einem kleinen Sprechzimmer erkundigte sich Kittys Ärzte-Team bei Cal und mir, ob wir ihnen weiterhelfen könnten, aber auch wir konnten ihnen nichts sagen.
Auf dem Rückweg vom Krankenhaus sagte Cal kein einziges Wort. Ich auch nicht. Ich fühlte, daß er litt und enttäuscht und einsam war – meinetwegen. Wir kamen beide aus unterschiedlichen Welten, aber die Kämpfe mit Kitty hatten bei uns beiden Narben hinterlassen, mit denen wir nun fertig werden mußten. In der Garage angekommen, stieg ich aus seinem Auto und rannte die Treppe hoch in mein Zimmer. Ich entkleidete mich, zog ein hübsches Nachthemd an und wünschte mir, daß ich mein Zimmer hätte abschließen können. Es gab jedoch keine Schlüssel in Kittys Haus, außer für die Badezimmer. Unruhig legte ich mich ins Bett; ich fürchtete, daß er in mein Zimmer kommen, mit mir reden und mich schließlich zwingen würde… Dann konnte ich ihn nur noch hassen – wie meinen Vater!
Er tat nichts dergleichen.
Ich hörte, wie er auf seinem Plattenspieler Musik aufgelegt hatte, spanische Musik. Tanzte er ganz für sich allein? Mitleid überkam mich, und ich fühlte mich auch etwas schuldig. Ich stand auf, zog mir meinen Morgenrock über und ging vorsichtig zur Treppe. Auf dem Nachttisch lag ein halb gelesener Roman. Es ist die Musik, die mich anlockt, sagte ich mir.
Cal, der nicht mehr mit der Wirklichkeit zurechtkam, der die erste Frau, die ihm gefiel, geheiratet hatte. Daß er nun mich liebte, war ein weiterer Fehler, das wußte ich. Ich empfand Mitleid und Liebe für ihn, dabei war ich ihm gegenüber mißtrauisch. Meine Wünsche, Schuldgefühle und Ängste erstickten mich fast.
Er tanzte nicht, obwohl die Musik immer weiter spielte. Er stand nur regungslos da und starrte auf den Perserteppich, ohne ihn jedoch wahrzunehmen. Das sah ich an seinen starren, glänzenden Augen. Ich trat ein und ging auf ihn zu. Weder drehte er sich um, noch gab er irgendein Zeichen, daß er meine Gegenwart bemerkt hatte; er starrte nur weiter vor sich hin und dachte wohl an die Tage, die noch kommen sollten und die er mit Kitty, die ihm nur mehr eine Last war, verbringen müßte. Dabei war er erst siebenundzwanzig Jahre alt.
»Wie heißt das Lied, das du gerade hörst?« fragte ich ihn mit leiser, ängstlicher Stimme und zwang mich, seinen Arm zu berühren, um ihn zu trösten. Er nannte nicht den Namen des Liedes, er tat etwas Besseres und sang mir den Text leise vor; auch wenn ich hundertzwei Jahre alt werden sollte, so werde ich nie dieses Lied vergessen und wie Cals Augen mich dabei ansahen, als er mir von einem Fremden im Paradies vorsang.
Er nahm meine Hand und schaute mir in die Augen. Die seinen schienen ganz tief in den Augenhöhlen zu liegen und leuchteten so, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte, so als würden der Mond und die Sterne ihnen Glanz verleihen. Ich sah ihn in Gedanken als Logan, meinen Seelenfreund, der mich mein ganzes Leben lang lieben würde, wie ich es so dringend brauchte und mir immer gewünscht hatte.
Ich glaube, die Musik wirkte ebenso stark auf mich wie seine Stimme und seine sanften Augen, denn irgendwie hatten sich meine Arme um seinen Hals geschlungen, obwohl ihnen niemand den Befehl dazu gegeben hatte. Ich hatte sicher nicht absichtlich eine Hand
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