Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
seiner Frau in den Wagen. Alle drei saßen vorne, Fanny in der Mitte.
    Peng! Die Wagentür fiel zu.
    Der heftige Schmerz kehrte zurück, aber diesmal nicht so stark wie bei Unserer-Jane und Keith. Fanny wollte ja gehen, sie schrie und weinte nicht, hatte nicht mit den Beinen gestrampelt und nicht mit den Armen gefuchtelt – die Kleinen wollten bleiben. Wer konnte schon sagen, welche Entscheidung die richtige war?
    Fanny kam ja auch nur nach Winnerrow. Unsere-Jane und Keith dagegen waren in Maryland, und Tom konnte sich nur noch an drei Ziffern auf dem Nummernschild erinnern. Würde das genügen, sie… eines Tages… zu finden?
    Jetzt ging mit Fanny meine Peinigerin, meine Schwester und gelegentliche Freundin. Fanny, für die ich mich genierte, wenn ich in der Schule war und ihr Gekicher im Ankleideraum hörte. Fanny mit ihrer sexuellen Unbekümmertheit, dem Erbe aus den Bergen.
    Nachdem Fanny fort war, blieb Vater diesmal. Was Fanny bei seiner Ankunft herausgesprudelt hatte, war ihm eine Warnung. Er wollte nicht gehen und bei seiner Rückkehr entdecken, daß wir geflohen waren. Tom und ich jedoch waren darauf erpicht, daß er ging, damit wir fliehen konnten, bevor wir verkauft wurden. Wir warteten, ohne ein Wort zu sagen, saßen nebeneinander auf dem Boden in der Nähe des Ofens. Wir saßen so eng beieinander, daß ich seine Wärme spüren und seinen angestrengten Atem hörte.
    Vater gab uns nicht die geringste Chance zu fliehen. Er pflanzte sich auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Ofens, kippte ihn leicht nach hinten und hielt seine Augen halb geschlossen – so als warte er auf etwas. Ich redete mir ein, daß wohl Tage vergehen würden, bevor ein neuer Käufer käme. Wir hatten also viel Zeit, sehr viel Zeit…
    Dem war nicht so.
    Ein mit Lehm bespritzter brauner Lastwagen, ebenso alt und klapprig wie Vaters, bremste plötzlich in unserem Hof und versetzte mich in Panik, die auch in Toms Augen stand. Er tastete nach meiner Hand und drückte sie fest. Wir preßten uns gegen die Wand. Fanny war erst seit zwei Stunden weg, und schon kam ein weiterer Käufer.
    Schritte auf der Verandatreppe, dann polterte jemand über den Vorbau. Dreimal klopfte es laut an der Tür. Dann wieder. Vater öffnete die Augen; er sprang auf, stürzte zur Tür und riß sie auf. Wir sahen, wie ein untersetzter, kräftiger Mann mit einem grauen Bart eintrat und sich stirnrunzelnd umsah. Er erblickte Tom, der jetzt schon einen Kopf größer als er war.
    »Wein nicht, Heavenly, bitte nicht«, flehte mich Tom an. »Ich halt’s nicht aus, wenn du’s tust.« Wieder drückte er meine Hand, wischte meine Tränen mit der anderen Hand weg und gab mir einen flüchtigen Kuß. »Wir können wohl nichts dagegen tun, oder? Nicht wenn Leute wie Reverend Wise und seine Frau nichts Schlimmes daran finden, Kinder zu kaufen. Ist schon mal vorgekommen, das weißt du genausogut wie ich. Und es wird immer wieder vorkommen, das weißt du auch.«
    Ich warf mich in seine Arme und drückte mich fest an ihn. Diesmal würde ich nicht weinen, diesmal ließ ich es nicht zu, daß es so weh tat. Es war ja wohl das Beste. Niemand war herzloser, lebensuntüchtiger und gemeiner als Vater. Daher würde es uns allen jetzt bessergehen, ganz gewiß. Ein schönes Zuhause und besseres Essen. Es war gut zu wissen, daß jeder von uns drei Mahlzeiten am Tag haben würde, so wie alle anderen Menschen auch in diesem freien Land, das man die Vereinigten Staaten von Amerika nennt.
    Dann brach ich zusammen und fing zu weinen an.
    »Tom, lauf! Tu was!«
    Vater versperrte Tom den Weg, obwohl er nicht versucht hatte zu fliehen. Wir hatten nur eine Tür, und die Fenster waren zu hoch und zu klein.
    Vater bemerkte meine Tränen nicht und übersah das schmerzverzerrte Gesicht Toms. Er eilte auf den untersetzten Mann im schmutzigen, abgetragenen Overall zu und schüttelte seine Hand. Er hatte, soweit ich sehen konnte, ein grobschlächtiges Gesicht. Sein dichter, grauer Bart überwucherte alles außer seiner Knollennase und seinen kleinen, blinzelnden Augen. Durch seinen dichten Pfeffer- und Salz-Bart machte sein Kopf den Eindruck, als säße er direkt auf seinen Schultern. Darunter folgte eine breite muskelbepackte Brust und ein runder Bierbauch – beides wurde durch seinen Overall halb verdeckt.
    »Bin gekommen, ihn mir zu holen«, sagte er ohne Umschweife und sah Tom ungeniert an, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Er war etwa einen Meter entfernt, zwischen ihm und uns stand

Weitere Kostenlose Bücher