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Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Titel: Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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    Den ganzen Samstag lang streifte ich durch kleine Geschäfte, auf der Suche nach den richtigen Geschenken für Fanny, Tom und Großpa. Sogar für Keith und Unsere-Jane kaufte ich ein paar Sachen; ich wollte sie zu den anderen legen, die ich für den Tag aufhob, an dem wir wieder eine Familie sein würden. Am Sonntagmorgen erwachte ich hoffnungsvoll und aufgeregt. Um zehn Uhr hielten Limousine und Fahrer, die mir zur Verfügung standen, langsam vor einer Episkopalkirche in mittelalterlichem Stil. Ich wußte bereits, wo sich die beiden Kinder, die ich so gern wiedersehen wollte, aufhalten würden, in der Klasse ihrer Sonntagsschule. Rita Rawlings hatte mir ausführlich beschrieben, wie ich ihr Klassenzimmer finden und was ich, dort angekommen, tun mußte. »Und wenn Sie sie lieben, Heaven, halten Sie Ihr Versprechen. Denken Sie an ihre Bedürfnisse und nicht an Ihre eigenen, bleiben sie außer Sichtweite.«
    Im Inneren der Kirche war es kühl und düster, die mächtige Halle zog sich in die Länge, gutgekleidete Leute lächelten mir zu. Irgendwo im hinteren Teil wußte ich nicht weiter… aber dann hörte ich Kinder singen. Und scheinbar konnte ich über allen anderen Stimmen das süße Stimmchen von Unserer-Jane heraushören, ähnlich dem Sopran von Miss Marianne Deal, als diese mit uns in Winnerows einziger protestantischen Kirche Choräle sang.
    Die süßen Gesangsstimmen führten mich zu ihnen. Im Eingang hielt ich inne und drückte die Tür auf, um den Gottesdienstliedern zu lauschen, die von so vielen Kindern fröhlich gesungen wurden. Nur ein Klavier begleitete sie. Kurz darauf betrat ich den riesigen Raum, in dem wenigstens fünfzehn Kinder zwischen zehn und zwölf mit Gesangsbüchern in den Händen dastanden und lauthals sangen.
    Die Kinder von Winnerow hätten sich vor dieser Gruppe in ihren hübschen, pastellfarbenen Sommerkleidern geschämt. Meine beiden standen nebeneinander, Keith und Unsere-Jane. Beide hielten dasselbe Gesangsbuch, beide sangen begeistert, mehr aus Spaß daran, sich selbst auszudrücken, als aus frommem Eifer. Ich aber stand leise schluchzend da, obwohl ich mich über ihre offensichtliche gute Gesundheit und ihr Wohlergehen riesig freute. Gott sei Dank hatte ich lange genug gelebt, um sie wiederzusehen.
    Ihre einst mageren Beinchen und Ärmchen waren jetzt kräftig und von der Sonne gebräunt. Ihre blassen, schmalen Gesichter hatten sich in strahlende, glänzende verwandelt. Mit Lippen, die jetzt eher lächelten als schmollten oder traurig nach unten hingen. Mit Augen, die nicht mehr Hunger und Kälte widerspiegelten. Der Anblick der beiden ließ Licht in all die Schatten fallen, die ich mir sorgfältig gemerkt hatte. Das Lied ging zu Ende, und ich bewegte mich leise auf die Säule zu, neben der ich sitzen und mich vor ihren Blicken verbergen konnte.
    Die Kinder setzten sich und legten ihre Gesangsbücher in die rückwärtigen Taschen oder in die Stuhlreihen vor ihnen. Als ich sah, wie sich Unsere-Jane stolz in ihrem hübschen pink- und weißfarbenen Kleid plusterte, vertrieb ein Lächeln meine Tränen. Jede Plisseefalte mußte sorgfältig zurechtgerückt werden, damit sie hinterher ja nicht zerknittert war und sich aufstellte. Sie verwandte große Mühe darauf, zu beachten, daß ihr kurzer Rock die braungebrannten Knie bedeckte, die sie ordentlich wie eine große Dame zusammenhielt. Ihr helles Haar war kunstvoll frisiert, so daß es kaum ihre Schultern berührte, bevor es sich in hübschen Locken wie zufällig nach oben drehte. Als sie ihren Kopf zum Profil drehte, konnte ich die fedrigen Ponyfransen auf ihrer Stirn sehen. Ihr Haar kannte die meisterhafte Pflege, die mir und Fanny in diesem Alter fremd gewesen war. Ach, wie lieb sie aussah! So voller Gesundheit und Vitalität, daß sie direkt zu strahlen schien.
    Neben ihr saß Keith und blickte feierlich nach vorne zur Lehrerin, die die Geschichte vom Knaben David zu erzählen begann.
    Ein paarmal mußte ich aufstehen und mich bewegen, um die zwei so besser sehen zu können. Er strahlte genauso viel Gesundheit und Vitalität wie Unsere-Jane aus. Seitdem ich sie zum letzten Mal gesehen hatte, waren sie ganz schön gewachsen, ihre beiden Gesichter waren reifer und ausgeprägter geworden. Trotzdem hätte ich sie überall erkannt, denn einiges hatte die Zeit nicht verändern können. Immer wieder sah Keith zu seiner jüngeren Schwester hinüber, darauf bedacht, daß es ihr gut ging und sie glücklich war. Er legte eine

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