Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
Hörer ab. Ich bestellte noch ein Stück Blaubeertorte, das mich an die Kuchen erinnerte, die Granny bei seltenen Anlässen zu backen pflegte, und trank meine dritte Tasse Kaffee. Um drei Uhr verließ ich das Restaurant. Ein Aufzug brachte mich in den fünfzehnten Stock des tollen Hotels. Es war genauso ein schickes Hotel, von dem Tom und ich geträumt hatten, wenn wir auf Bergwiesen lagen und unsere außergewöhnliche Zukunft planten. Ich hatte die Absicht, nur übers Wochenende in Baltimore zu bleiben, aber trotzdem hatte es Tony unbedingt für nötig gehalten, daß ich eine Suite statt eines Einzelzimmers bewohnte. Darin gab es ein hübsches Wohnzimmer und gleich anschließend eine komplett eingerichtete kleine Küche, ganz schwarz und weiß und auf Hochglanz poliert.
Stunden vergingen. Es war zehn Uhr, als ich es bei der Familie Rawlings aufgab und dafür Troy anrief.
»Aber schau«, beruhigte er mich, »vielleicht haben sie die Kinder auf einen besonderen Ausflug mitgenommen, der den ganzen Tag dauert. Morgen werden sie dann wieder zu Hause sein. Ganz sicher habe ich Recht. Tatsächlich freue ich mich zum ersten Mal in meinem Leben richtig auf die Zukunft und auf alles, was sie für uns beide bereithält. Ich war ein Narr, Liebling, stimmt’s? Zu glauben, das Schicksal habe sogar noch vor meiner Geburt beschlossen, mich vor meinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr zu töten. Gott sei Dank bist du zur rechten Zeit in mein Leben getreten, gerade rechtzeitig, um mich vor mir selbst zu retten.«
Träume von Troy machten meinen Schlaf unruhig. Immer wieder schrumpfte er auf Kindergröße und schwebte fort von mir, wobei er, wie einst Keith, »Hevlee, Hevlee!« schrie.
Früh wachte ich am nächsten Morgen auf und wartete ungeduldig, bis es acht Uhr wurde. Als ich diesmal anrief, antwortete eine weibliche Stimme. »Bitte Mrs. Lester Rawlings«, sagte ich.
»Wer spricht denn?«
Ich nannte meinen Namen und sagte, ich wolle gerne meinen Bruder und meine Schwester, Keith und Jane Casteel besuchen. Die Art, wie sie hörbar einatmete, verriet ihren Schock. »Oh, nein!« flüsterte sie, dann hörte ich den Hörer klicken. Mir blieb nur noch das Belegtzeichen. Sofort rief ich sie wieder an.
Das Telephon läutete in einem fort, bis Rita Rawlings schließlich antwortete. »Bitte«, bat sie mit tränenerstickter Stimme, »zerstören sie nicht den Frieden von zwei wunderbar glücklichen Kindern, die sich erfolgreich an eine neue Familie und an ein neues Leben gewöhnt haben.«
»Mrs. Rawlings, sie sind meine Blutsverwandten! Sie gehörten zu mir, lange bevor sie zu ihnen gehörten!«
»Bitte, bitte«, flehte sie mich an. »Ich weiß, daß Sie sie lieben. Ich erinnere mich sehr gut an Ihren Gesichtsausdruck an dem Tag, als wir sie fortbrachten, und ich verstehe ihre Gefühle. Als sie anfangs bei uns lebten, waren Sie es, nach der sie immer weinten. Aber seit über zwei Jahren haben sie nicht mehr nach Ihnen verlangt. Jetzt rufen sie mich Mutter oder Mammi und meinen Mann Vati. Es geht ihnen gut, seelisch und physisch… Ich werde ihnen Fotographien schicken, Zeugnisse und ärztliche Untersuchungsberichte, aber ich flehe Sie an, kommen Sie nicht, um die beiden an alle Mühsal zu erinnern, die sie während ihres Lebens in dieser erbärmlichen Baracke in den Willies erdulden mußten.«
Jetzt war ich an der Reihe, zu bitten. »Aber Sie verstehen mich nicht, Mrs. Rawlings! Ich muß sie wiedersehen! Ich möchte mich davon überzeugen, daß sie gesund und glücklich sind, oder ich kann meinerseits nicht glücklich werden. Jeden Tag meines Lebens habe ich geschworen, Keith und Unsere-Jane zu finden. Meinen Vater hasse ich für seine Tat, es frißt Tag und Nacht in mir. Sie müssen mir gestatten, die beiden zu sehen, auch wenn sie mich nicht sehen können.«
Das Zögern, das sich in ihrer späten Antwort zeigte, hätte jemanden, der nicht so hartnäckig wie ich war, von seinem Entschluß abrücken lassen.
»Nun gut, wenn Sie es unbedingt tun müssen. Aber Sie müssen mir versprechen, sich vor den Kindern zu verstecken. Sollten Sie Ihnen anschließend nicht gesund, glücklich und wohlbehütet erscheinen, dann werden mein Mann und ich alles tun, was in unserer Macht liegt, um die Situation zu verbessern.« In diesem Augenblick wurde mir klar, daß es sich um eine Frau mit starkem Willen handelte, die entschlossen war, ihre Familie heil zu erhalten. Sie würde mit dem Teufel kämpfen, um die Kinder für sich behalten zu
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