Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
gesagt, daß ich damit einverstanden bin.«
»Was? Moment mal, Annie.«
»Nun, nun«, sagte Tony besänftigend. »Nach allem, was ich gehört habe, ist es ein großes Haus.« Ich fing den warnenden Blick auf, den er Drake zuwarf. »Tu nichts, was Annie aufregen könnte«, schien dieser Blick zu sagen. Das Feuer in Drakes Augen erlosch sogleich. Er zuckte die Achseln.
»Das stimmt. Dann wird es wohl in Ordnung sein. Zumindest für einige Zeit. Ich werde viel zu tun haben, und du wirst in Farthy sein. Also wird sie keinem von uns beiden auf die Nerven gehen.«
»Sie ist bemüht, sich zu ändern, Drake. Und sie möchte etwas für die Familie tun. Daher habe ich es einfach nicht übers Herz gebracht, es ihr abzuschlagen.«
Er nickte.
»Es ist sehr lieb von dir, Annie«, sagte Tony, »daß du dich um die Sorgen anderer Leute kümmerst, obwohl du es doch im Moment selbst so schwer hast. Ich bin so glücklich darüber, daß du nach Farthinggale kommst. Du wirst dem Haus Wärme geben. Das gab es nicht mehr seit… seit deine Mutter nicht mehr dort lebt.«
»Und jetzt«, fügte er hastig hinzu, »habe ich eine Überraschung für dich. Dr. Malisoff hat mir gesagt, daß du zum Wochenende entlassen wirst. Einfach wunderbar, nicht wahr?«
»O ja! Ich kann es gar nicht erwarten, hier herauszukommen«, rief ich aus.
Tony und Drake lachten beide. Drake hatte zuvor hastig zu Tony hinübergeblickt, um zu sehen, wie er reagierte. Ich war erstaunt, wie schnell Tony Drake zu seinem Schüler gemacht hatte. Wie verändert Drake in Tonys Gegenwart war! Ich hatte ihn noch nie so ehrerbietig jemand anderem gegenüber erlebt.
Tony ergriff meine Hand. »Ich habe gehört, daß du eine wunderbar kooperative Patientin warst. Nun, Mrs. Broadfield ist geradezu begeistert von dir«, fügte er hinzu und sah zu ihr hinüber. Statt wie gewöhnlich nur die Andeutung eines Lächelns zu zeigen, sah sie mich an und nickte. In ihrem Blick lagen aufrichtige Zuneigung und Wärme.
»Danke«, sagte ich und lächelte der Krankenschwester zu.
»Aber, Annie, du hast mir etwas sehr Wichtiges verheimlicht«, sagte Tony.
»Verheimlicht?«
»Drake hat mir erzählt, daß du eine richtige Künstlerin bist.«
»O Drake, hast du meine Fähigkeiten nicht übertrieben?«
»Ich habe nur die Wahrheit gesagt, Annie. Du bist gut«, erklärte er.
»Aber ich lerne doch noch«, sagte ich zu Tony. Ich wollte nicht, daß er enttäuscht war, wenn er meine Arbeiten sah.
»Nun, ich werde einen der besten Kunstlehrer der Stadt nach Farthinggale kommen lassen, um dir Unterricht zu geben. Ich werde es nicht zulassen, daß du dich langweilst, das verspreche ich dir. Wir brauchen ein neues Gemälde von Farthinggale Manor, und ich kann mir niemanden vorstellen, der das besser könnte als du.«
»Aber Tony, du hast doch noch gar nicht gesehen, was ich kann.«
»Ich denke, ich weiß, was du kannst«, sagte er, und sein scharfer, durchdringender Blick war voller Bewunderung auf mich geheftet. Nachdenklich, mit leicht zusammengekniffenen Augen stand er da, während ich ihn ansah und mich fragte, was er zu wissen glaubte. Hatte er in mir etwas entdeckt, das mir selbst noch unbekannt war? Ich war verwirrt.
»Und noch eine Überraschung!« Tony langte in seine Tasche und zog ein kleines Schmuckkästchen hervor. Ich nahm es aus seiner ausgestreckten Hand und öffnete es langsam. Dann erblickte ich einen wunderbaren goldgefaßten Perlenring. »Ich habe in den Sachen deiner Großmutter gesucht und gesucht, bis ich das gefunden hatte, was meiner Ansicht nach am besten zu deiner Hand paßt.« Er nahm den Ring aus dem Kästchen, ergriff meine linke Hand und steckte mir den Ring an den Finger. Es schien ihn nicht zu überraschen, daß er genau paßte.
»O Tony, er ist wundervoll!« Ich hielt meine Hand hoch und drehte sie leicht, so daß Drake den Ring sehen konnte. Er nickte zustimmend.
»Er ist wunderschön.«
»Irgendwann wird alles, was deine Großmutter besaß, dir gehören, Annie.«
»Danke, Tony. Aber du hast mir schon so viel geschenkt und so viel für mich getan, daß ich gar nicht weiß, wie ich dir danken soll.«
»Komm nur nach Farthinggale und werde dort gesund. Das ist mehr, als ich je erhofft habe.«
Auf meinen Lippen brannte die Frage nach dem Warum, aber wieder sagte ich mir, daß alle meine Fragen in Farthinggale beantwortet werden würden. Das Geheimnis, das die Vergangenheit meiner Mutter umgab, sollte an dem Ort gelüftet werden, mit dem es untrennbar
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