Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
Bett.
»Fühlst du dich wirklich besser?«
»O ja, Tony.«
Er wirkte tief beunruhigt. Der Blick seiner blauen Augen war umwölkt, und die Falten schienen sich noch tiefer in seine Stirn gegraben zu haben.
»Auch ich war zu leichtfertig. Ich hätte erkennen müssen…«
»Jetzt ist es ja vorbei«, sagte ich. »Bitte laß uns die Sache vergessen.«
»O nein, das werden wir nicht. Der Arzt hat mir eben dasselbe gesagt wie dir, und ich bin ganz seiner Meinung. Wir müssen Konsequenzen ziehen.«
»Konsequenzen?«
Er nickte Mrs. Broadfield zu, die geradewegs zu meinem Telefon ging und die Schnur aus der Wand zog.
»Mein Telefon!« protestierte ich.
»Im Moment keine Anrufe, Annie. Das sind die Anweisungen des Arztes.«
»Aber Luke wollte mich gleich nach der Abschlußfeier anrufen, um mir zu erzählen, wie seine Rede angekommen ist!« protestierte ich verzweifelt.
»Bevor ich von hier fortgehe, werde ich unten in der Telefonzentrale veranlassen, daß alle Anrufe für dich in mein Büro weitergeleitet werden. Drake oder ich werden sie dort für dich entgegennehmen, und natürlich werde ich alle Informationen und Neuigkeiten sofort an dich weitergeben. Das verspreche ich dir, und du weißt, daß ich meine Versprechen halte, nicht wahr?«
Ich wandte den Blick ab. Es würde schrecklich für Luke sein. Er würde sich bittere Vorwürfe machen, und dabei war es doch so wichtig für ihn, gleich nach der Ansprache mit mir zu reden. Ich spürte, wie die Tränen wieder in mir aufstiegen, und mein Herz hämmerte in meiner Brust. Aber dann erinnerte ich mich an Dr. Malisoffs Ausführungen. Ich mußte mir jenes ›dicke Fell‹ zulegen, oder mein Genesungsprozeß würde sich verzögern. Für eine kurze Zeit mußte ich Opfer bringen.
»Wir wollen doch alle nur dein Bestes, Annie; daher müssen wir die Ratschläge der Ärzte und Therapeuten befolgen. Es sind die besten, die man für Geld bekommen kann. Glaub mir, Annie. Bitte.«
»Ich glaube dir Tony. Es tut mir nur so leid für Luke.«
Tony sah mich liebevoll und herzlich an. »Weißt du was, ich werde ihm in deinem Auftrag ein Telegramm schicken, um ihm viel Glück zu wünschen. Gleich jetzt. Würde ihn das nicht aufheitern?«
»O ja, Tony. Das ist eine wunderbare Idee«, sagte ich aufgeregt.
»Und ich werde ihn selbst anrufen, um ihm zu sagen, daß es dir gut geht, aber daß die Ärzte im Augenblick neue Anweisungen gegeben haben und du eine Zeit lang Ruhe brauchst«, erklärte er.
»Bitte sag ihm, er soll sich keine Vorwürfe machen, weil er mich angerufen hat.«
»Natürlich, das werde ich tun, Annie. Und wenn ich das Gefühl habe, daß er mir nicht glaubt, werde ich auch den Arzt bitten, ihn anzurufen«, schlug er mit einem aufmunternden Lächeln vor.
»Würdest du das wirklich tun?«
»Annie«, sagte er, und sein Gesicht wurde ernst, »ich würde alles tun, was in meiner Macht steht, damit du wieder auf die Beine kommst und glücklich wirst. Ich weiß, daß das nicht einfach sein wird, denn du hast die Menschen verloren, die du in deinem Leben am meisten geliebt hast. Aber alles, was ich mir wünsche, ist, daß ich sie zumindest ein klein wenig ersetzen kann. Willst du mich das versuchen lassen?«
»Ja«, sagte ich leise. Ich war beeindruckt von der Intensität seines Blicks und der Entschlossenheit, die in seiner Stimme lag.
»Ich danke dir. Nun, ich werde dich jetzt ausruhen lassen, aber heute abend komme ich zurück«, versprach er.
Dann beugte er sich zu mir herab und küßte mich auf die Stirn.
»Drake wartet auch darauf, zu hören, wie es dir geht.«
»Grüß ihn von mir.«
»Das werde ich tun. Er arbeitet sehr gut. Er wird sich in leitender Position gut machen, denn er ist selbstsicher und ehrgeizig. In gewisser Hinsicht erinnert er mich daran, wie ich selbst in seinem Alter war«, fügte er hinzu und in seiner Stimme schwang ein wenig Stolz mit. Mrs. Broadfield begleitete Tony aus dem Zimmer und schloß leise die Tür hinter sich.
Keine Anrufe und keine Besuche mehr. Nun, es war ja nur für kurze Zeit, dachte ich, und außerdem würde ich bald in Farthy sein. Vielleicht gab es dort ja wirklich jenen magischen Zauber, den Luke und ich an diesem Ort vermutet hatten, und vielleicht würde er meinen Genesungsprozeß beschleunigen.
Mrs. Broadfield entwickelte sich zu einem wahren Festungswall, vermutlich auf Geheiß der Ärzte. Selbst die »Pink-Damen« mußten ihre Kontrolle durchlaufen, ehe sie zu mir vorgelassen wurden. Meine Tür war jetzt die
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