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Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Titel: Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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übergegangen war und nun von ihr auf mich. Ich merkte gar nicht, daß ich weinte, bis die Tränen von meinen Wangen rannen und wie die Tropfen eines warmen Sommerregens auf meinen Busen perlten. Ich schluckte, legte das Halsband wieder in die Schatulle zurück und schloß sie. Drake hatte recht. Es war tröstlich für mich, diesen Schmuck in meiner Nähe zu haben.
    Ich wischte mir das Gesicht mit dem Handrücken ab und betrachtete die beiden Armbänder auf dem Bett. Dann ergriff ich das kleinere, das für mich noch kostbarer war, und legte es um mein Handgelenk. Der Anblick ließ mich lächeln.
    Was hatte Drake gesagt… Tante Fanny war im Pavillon gewesen? An dem Zauberort, wo Luke und ich so oft verweilt hatten? Die Tage unserer Phantasiespiele schienen so weit zurückzuliegen! Wenn ich dort wäre, wenn sie mich in den Pavillon brächten – vielleicht würde ich mich dann auf Lukes Arm stützen und könnte plötzlich wieder gehen. Der Arzt würde bestimmt lachen, wenn ich dies vorschlüge, aber Luke und ich wußten, daß ein bißchen spielerische Einbildung manchmal Wunder bewirken konnte. Und wenn zwei Menschen ganz fest an etwas glauben, dann konnte es wahr werden!
    Luke. Wie sehr ich seinen Trost brauchte, sein Lächeln, seine optimistische Zuversicht. Mehr als das – ich sehnte mich danach, seine Lippen auf meiner Wange zu fühlen, und ich erinnerte mich an jedes einzelne Mal, wenn wir uns küßten, selbst als wir noch kleine Kinder gewesen waren.
    Während ich so an ihn dachte, schlang ich die Arme um meinen Oberkörper und stellte mir vor, er wäre hier neben mir und würde mit meinem Haar spielen. Seine Augen würden den meinen ganz nahe kommen, und wir würden uns sehnsuchtsvoll anschauen, glücklich und doch gequält von unserem Verlangen und unserer verbotenen Liebe.
    Warm durchströmte der Gedanke an ihn meinen Körper und erfüllte ihn wieder mit Leben. Wenn die Vorstellung, daß Luke mich liebte, eine so wundervolle Wirkung auf mich hatte, dann konnte sie doch bestimmt nicht ganz schlecht sein, überlegte ich. Mit Luke an meiner Seite könnte ich über diese Tragödie hinwegkommen. Das Schicksal hatte mir jene allgegenwärtigen hohen Gipfel als Hindernisse in den Weg gestellt, aber ich würde das tun, was Luke mir immer geraten hatte – ich würde stets nach dem höchsten streben!
    »Denn von dort«, hörte ich ihn flüstern, »ist die Aussicht immer am besten, Annie. Strebe nach den höchsten Gipfeln.« Aber jetzt schien Luke selbst der höchste Gipfel von allen zu sein.
    Ich blickte mich in meinem leeren Zimmer um. Dann hörte ich Stimmen, die von unten zu mir heraufdrangen. Drake verabschiedete sich von jemandem. Eine Tür fiel ins Schloß. Ein Windstoß pfiff durch eine Jalousie. Und dann war es wieder still.
    O Luke, was kann denn nur der Grund dafür sein, daß du nicht Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um mich zu sehen!

 
    16. K APITEL
     
    G ELÄHMT !
     
     
     
    »Ich habe eine wundervolle Überraschung für dich«, verkündete Tony. Als ich ihn so erwartungsvoll in der Tür stehen sah, dachte ich zunächst, die Überraschung wäre sicher, daß Luke endlich gekommen war; aber meine Hoffnung wurde enttäuscht. »Du mußt aus deinem Zimmer kommen, um es zu sehen. Es ist sowieso Zeit, daß wir uns langsam auf den Weg zum Friedhof machen.«
    Ich wandte mich zu Mrs. Broadfield um, die gerade dabei war, die Handtücher zusammenzulegen, auf denen ich während der Massage gelegen hatte. Doch ihr Gesicht war so ausdruckslos und unbeweglich wie eine Maske. Und dennoch hatte ich das Gefühl, daß sie wußte, um was es sich bei der Überraschung handelte.
    »Es ist draußen?« Tony nickte, und ich begann meinen Rollstuhl in Richtung Tür zu bewegen. Ich trug das schwarze Kleid meiner Mutter und das Armband von Luke. Rene, der Friseur, war am späten Vormittag noch einmal gekommen, um meinem Haar den letzten Pfiff zu geben. Trotz der bevorstehenden Trauerfeier für meine Eltern hatte Mrs. Broadfield mich mein vollständiges Therapieprogramm absolvieren lassen, aber ich war dennoch nicht müde. Vielleicht hatte sie recht damit, daß meine Leistungsfähigkeit und Kraft mit der Zeit wuchsen.
    Tony trat zurück und bedeutete mir, ich solle nicht anhalten. Ich blickte kurz zu Mrs. Broadfield, um zu sehen, ob sie ebenfalls mitkommen würde, aber sie erledigte noch immer ihre Arbeit und schien sich für nichts anderes zu interessieren. Tony half mir, den Rollstuhl vor der Tür nach links zu wenden und

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