Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
kennst noch nicht einmal ihr wahres Alter. Du glaubst, sie sei viele Jahre jünger, als sie in Wirklichkeit ist. Sie würde dir niemals ihr volles Vertrauen schenken.«
»O doch, ich kenne ihr wahres Alter, meine Süße«, sagte er ruhig, so ruhig, daß mir das Herz sank. »Ich habe mir ein vollständiges Bild von ihrer Vergangenheit gemacht. Leider hat mich meine Liebe zu ihr geblendet, und ich habe bis nach der Heirat abgewartet und es erst dann getan. Sie wird nie erfahren, wie sehr ich mich von ihr betrogen gefühlt habe, weil sie mir etwas vorgemacht hat – mir, der ich den Boden angebetet habe, über den sie gelaufen ist. Jetzt lasse ich sie in ihrer Traumwelt weiterleben. Was schadet das schon?«
»Nein, du lügst schon wieder. Geh weg, verschwinde!« Ich stieß ihn von mir, aber diesmal umfaßte er meine beiden Handgelenke, zog mich an sich und küßte mich brutal auf die Lippen. Ich wehrte mich und wollte mich losreißen, aber er war zu stark. Ich schmeckte den Whisky auf meiner Zunge, und mir wurde übel davon.
Er kniete vor mir, beugte sich über mich und preßte meine Hände aufs Kissen.
Wieder einmal wand und wälzte ich mich unter seinem Körper, und wieder einmal zwängte er sich zwischen meine Beine und nahm mich auf dieselbe Art. Es war wie ein Alptraum, der sich wiederholte. Ich weinte, ich flehte, ich bettelte, doch seine Ohren waren für alles andere als die Stimmen verschlossen, die er in seinem Innern hörte: Stimmen der Begierde und der Lust.
Während der ganzen Zeit verwechselte er mich mit meiner Mutter, nannte mich abwechselnd »Jillian« und stöhnte dann wieder »Leigh«. Ich schloß die Augen, wandte den Kopf von ihm ab und versuchte zu verdrängen, was er mir antat. Mein Körper hob und senkte sich unter ihm. Ich konnte nichts tun, um ihn daran zu hindern.
Als ich die Augen aufschlug, sah ich Angel auf dem Kissen neben mir. Ich konnte mühsam meine rechte Hand aus seiner befreien und sie so weit ausstrecken, daß ich meine geliebte Puppe anfassen und ihr Gesicht abwenden konnte, denn in ihren Augen sah ich mein eigenes Entsetzen und meinen Kummer.
Anschließend preßte ich meine Augenlider zu und wartete, bis es zu Ende war.
Er blieb eine Zeitlang auf mir liegen, ehe er sich wie ein Schlafwandler erhob und mich allein ließ. Ich rührte mich nicht von der Stelle. Meine Handgelenke schmerzten, und mein Gesicht fühlte sich an, als sei Schmirgelpapier damit in Berührung gekommen. Ich weinte, bis ich keine Tränen mehr hatte. Dann schloß ich endlich die Augen und zog die Decke wieder über mich und Angel.
Am Morgen stand ich bei den ersten Sonnenstrahlen auf und huschte aus der Suite meiner Mutter zurück in meine eigene und kroch dort ins Bett. Troy kam, um mich zu wecken, doch ich sagte ihm, daß es mir nicht gutginge. Er rannte hinaus, um Tony und die Hausangestellten davon zu unterrichten. Wenige Momente später erschien Mrs. Carter, eines unserer älteren Dienstmädchen, um nachzusehen, was mir fehlte. Ich sagte ihr lediglich, daß ich mich nicht wohl fühlte. Sie sagte, sie würde mir etwas zum Frühstück bringen.
»Möchten Sie, daß ich Mr. Tatterton zu Ihnen schicke?«
»Nein«, rief ich hastig. »Ich möchte niemanden sehen, solange meine Mutter nicht eintrifft.«
»Keinen Arzt?«
»Bitte, gar niemanden«, flehte ich.
»Nun gut. Wir werden Ihnen Tee und etwas zu essen bringen. Vielleicht fühlen Sie sich dann besser.«
Mich besser fühlen? Kein Essen, kein Arzt, keine Schar von Freundinnen hätte jetzt bewirken können, daß ich mich besser fühlte. Troy sah noch einmal nach mir und war enttäuscht, daß ich nicht aus meinem Zimmer kommen und mit ihm spielen oder Spazierengehen wollte. Ich aß ein wenig von der Hafergrütze, die Mrs. Carter mir brachte, und trank eine Tasse von dem gesüßten Tee.
Tony kam nicht zu mir. Ich war darauf vorbereitet, ihn hinauszuwerfen, zu schreien, eine Szene zu machen und die Aufmerksamkeit sämtlicher Hausangestellter auf uns zu lenken, falls es nötig werden sollte. Vielleicht rechnete er damit und hielt sich deshalb fern von mir.
Mrs. Carter kam mit einem Mittagessen wieder. Ich aß auch jetzt nur wie ein Spatz, knabberte an einem Sandwich und trank einen Schluck Saft. Am späten Nachmittag kam sie und fragte mich noch einmal, ob sie nicht doch einen Arzt holen sollte.
»Nein, ein Arzt kann mir nicht helfen«, erwiderte ich. »Schicken Sie mir nur meine Mutter in dem Moment, in dem sie kommt.«
»Ja, gut«, sagte Mrs.
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