Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
vom Schiff brachten und zu einem Taxi trugen, das bereitstand.
Ich sah ungläubig zu. Es war nicht vorgesehen, daß wir hier in ein Hotel zogen. Das Schiff sollte drei Tage und Nächte im Hafen vor Anker liegen.
Daddy machte mir ein Zeichen, damit ich zu ihm kam.
»Deine Mutter möchte dich sehen«, sagte er. Er wirkte so müde und deprimiert, und seine traurigen, unglücklichen Augen hatte er niedergeschlagen. Mir wurde schon wieder flau im Magen, aber diesmal war es schon fast ein Aufruhr in meinem Innern. Ich hatte Angst, mir könnte schlecht werden.
Ich ging in die Suite meiner Eltern. Mama trug eine ihrer olivgrünen Kombinationen aus Seide, dazu eine Anstecknadel mit einem Maiglöckchen auf dem Oberteil, einen Seidenschal und passende Seidenhandschuhe. Sie hatte sich das Haar aus dem Gesicht zurückgebürstet und setzte in dem Moment, in dem sie sich zu mir umdrehte, ihren eierschalfarbenen Glockenhut auf. Die Suite duftete nach ihrem Jasminparfüm.
Jede Blässe und jeder Trübsinn waren aus ihrem Gesicht gewichen. Ihre Wangen waren rosig, ihre Lippen leuchteten. Sie hatte sich stark geschminkt und sogar ihre Wimpern dunkel gefärbt. Es war eine wundersame Genesung, und sie erfüllte mich mit Angst und Schrecken.
»Leigh«, verkündete sie, als ihr Blick auf mich fiel. »Ich habe einen Entschluß gefaßt. Ich mache mich auf den Rückweg nach Boston.« Ihre Worte trafen mich wie Donnerschläge, und mein Herz wurde bleischwer in meiner Brust.
»Auf den Rückweg? Aber wie, Mama?«
»Ich habe den Schiffskapitän gebeten, sich nach dem Flugplan zu erkundigen, und er hat einen Flug nach Miami, Florida, gefunden. Von dort aus werde ich dann einen Anschlußflug nach Boston nehmen.«
»Aber, Mama, was ist mit unserem Aufenthalt in Jamaika?« Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Offensichtlich hatte sie Reisepläne geschmiedet, während ich glaubte, daß sie krank sei. »Warum tust du das bloß?« rief ich aus, denn ich war nicht in der Lage, meine Enttäuschung zu verbergen.
»Es hat sich herausgestellt, daß das hier alles andere als ein Urlaub für mich ist, Leigh. Wie du weißt, habe ich nicht einen Moment lang Spaß daran gehabt.« Sie zog ihre Handschuhe zurecht. Offensichtlich war sie entschlossen, das Schiff stilvoll zu verlassen, da sie wußte, daß viele Leute sie ansehen und sich fragen würden, was hier geschah, denn schließlich war sie die Frau des Eigners.
»Aber, Mama, wir liegen jetzt im Hafen. Wir fahren nicht. Du wirst nicht seekrank werden.«
»Und was ist mit der Rückreise, Leigh? Willst du etwa, daß ich all das noch einmal durchmache?«
»Nein, aber ich wünschte, wir könnten alle zusammen sein und gemeinsam einkaufen gehen, die feinen Restaurants besuchen, uns Unterhaltungskünstler ansehen, im Meer schwimmen und…«
»Dein Vater hätte ohnehin nicht genug Zeit dafür. Er verläßt das Schiff doch nicht freiwillig. Erinnerst du dich denn nicht mehr, was wir alles anstellen mußten, um ihn damals in London vom Schiff zu locken?«
»Dort hatten wir doch viel Spaß miteinander. Wir könnten es uns doch hier auch gutgehen lassen. Bitte, bleib bei uns, Mama. Bitte«, bettelte ich und betete, sie würde es sich noch einmal überlegen.
»Das geht nicht.« Sie wandte sich ab. »Es tut mir leid, aber es geht einfach nicht. Du wirst es später einmal verstehen.«
»Warum? Was soll das heißen?« Mein Herz pochte heftig. Warum später? Welche gräßlichen Neuigkeiten warteten auf mich?
»Belassen wir es für den Moment dabei, Leigh. Mach das Beste aus dem Rest dieser Ferien. Ich hole dich im Hafen ab, wenn du zurückkommst.« Sie nahm mein Gesicht zwischen ihre Hände und küßte mich auf die Wange. »Und jetzt sei ein braves Mädchen und versprich mir, daß du dich nicht um den technischen Kram kümmerst, solange ich nicht da bin.«
»O Mama.« Ich weinte jetzt, und ich schluchzte so heftig, daß ich glaubte, nie mehr aufhören zu können.
»Ich habe dir einen Teil von meinem Modeschmuck dagelassen, den du tragen kannst, wenn abends Veranstaltungen stattfinden. Paß gut darauf auf.« Geistesabwesend strich sie mir ein paarmal über den Kopf. Ich merkte, daß sie darauf versessen war, endlich dieses Schiff zu verlassen.
»Danke, Mama.« Ich ließ den Kopf hängen. Es gab nichts, was ich hätte sagen oder tun können, um sie umzustimmen. Ich fühlte mich so hilflos und allein; aber noch mehr als für mich selbst tat es mir für Daddy leid. Es mußte ihm peinlich sein, seinen
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