Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
feine Restaurants führen. Sie ist unersättlich. O ja, ich kann sie verstehen. Deine Mutter ist jung, schön und lebenslustig. Aber ich bin ein vielbeschäftigter Mann und habe keine Zeit für Unfug. Deshalb ist deine Mutter von mir enttäuscht.«
Ich konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Sobald die erste Träne floß, stand Daddy auf und kam zu mir.
»Das möchte ich jetzt aber wirklich nicht sehen, Leigh. Ich könnte sonst bereuen, daß ich mich mit dir wie mit einer Erwachsenen unterhalten habe.«
Ich wischte mir eilig über die Augen. Das Herz tat mir weh, aber ich lächelte. »Und was wird jetzt, Daddy?« fragte ich.
»Das werden wir sehen. Deine Mutter wollte eine Zeitlang allein sein, um in Ruhe nachdenken zu können. Bis dahin haben wir beide eine Kreuzfahrt zu organisieren, verstanden?«
»Ja, Daddy.«
»So, und hier ist mein erstes Kommando. Du wirst mit deinen Freundinnen und ihren Eltern zum Essen gehen und es dir gutgehen lassen.«
»Aber was ist, wenn sie anfangen, mir Fragen nach Mama zu stellen?« fragte ich.
Er dachte einen Moment lang nach. »Dann sagst du, zu Hause seien dringende Familienangelegenheiten zu erledigen. Dann wird dir niemand weitere Fragen stellen. So«, sagte er und schlug die Hände zusammen, »das sollte damit erledigt sein. Morgen kannst du im Basar einkaufen gehen und für all deine Freundinnen zu Hause ein Mitbringsel kaufen, wenn du möchtest. Am Nachmittag kannst du an den Strand gehen und schwimmen, und am Abend werden wir beide in ein typisches jamaikanisches Restaurant gehen und die Spezialität ausprobieren – ein Huhn, das luftgetrocknet ist. Was hältst du davon?«
»Das klingt wunderbar, Daddy.«
»Gut. Und jetzt lauf los. Ich will hinterher einen vollständigen Bericht von dir hören. Wie geht es deinem Logbuch? Wird es schon voller?«
»O ja, ich schreibe täglich etwas hinein.«
»Gut.« Er gab mir einen Kuß auf die Wange, und ich drückte ihn fest an mich und atmete die vertrauten Gerüche ein – den Duft seines Rasierwassers, das Aroma seines Pfeifentabaks und diesen frischen und sauberen Geruch nach Meer.
Ich wünschte, er und ich hätten öfter Gespräche miteinander geführt. In gewisser Hinsicht hatte Mama allzu recht, wenn sie eifersüchtig auf die Zeit war, die er mit seinen Geschäften verbrachte. Ich wünschte, er hätte mehr Zeit mit mir verbracht und mir von seiner Kindheit erzählt. Mir wurde klar, daß er mir nie wirklich seine Version der Aschenbrödelgeschichte zwischen ihm und Mama erzählt hatte. Vielleicht konnte ich ihn dazu bringen, das eines Tages doch noch zu tun. Er drückte nie wirklich eine Abneigung gegen Großmama Jana oder Mamas Schwestern aus. Immer, wenn sie im Beisein von ihm über sie schimpfte und hetzte, nickte er einfach oder sah weg. Ich wollte noch so viel mehr wissen. Hoffentlich würde er jetzt, da er mich als älter und reifer ansah, über diese Dinge mit mir reden.
Meine kurze Unterhaltung mit Daddy in der Kapitänskajüte hatte mich ein wenig aufgemuntert, so daß ich mit den Spensers essen gehen konnte. Sie nahmen mich in ein herrliches italienisches Restaurant mit, das sich Casablanca nannte. Die Tische waren im Freien aufgestellt, und es gab eine kleine Dreimannkapelle und einen Sänger, der romantische Lieder mit schmelzender Stimme sang. Mr. und Mrs. Spenser tanzten so eng zusammen und gingen so liebevoll und zärtlich miteinander um, daß es meinen Freundinnen peinlich war. Sie kicherten wie kleine Schulmädchen. Ich konnte verstehen, warum sie das Benehmen ihrer Eltern in Verlegenheit brachte, aber ich fand es wunderbar, einen Mann und eine Frau zu sehen, die so verliebt miteinander umgingen. Unwillkürlich schloß ich die Augen und stellte mir vor, sie seien meine Eltern, stellte mir Mama und Daddy auf dieser kleinen Tanzfläche vor, über der die Sterne funkelten, während ihnen der Sänger ein Ständchen brachte.
Daddy hatte gesagt, daß Liebe blind macht. Wenn man sich verliebt, hat man dann überhaupt eine Gelegenheit, über all diese Dinge nachzudenken? Hat man die Gelegenheit, sich vorzustellen, wie es in vielen Jahren sein wird? Wenn ich hörte, wie Mama heute über Daddy sprach, hatte ich das Gefühl, sie hätte ihn nie geheiratet, wenn sie die Zukunft vorausgesehen hätte. Selbst dann nicht, wenn es für sie bedeutet hätte, bei ihren scheußlichen Schwestern in Texas zu bleiben.
»Wenn ich mich einmal verliebe«, sagte ich zu den Spenser-Schwestern, »dann möchte ich, daß es
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