Casting fuer die Liebe
wird es schon langsam dunkel. Dicke, weiche Schneeflocken segeln durch die Luft und tanzen im Lichtkegel der Straßenlaternen.
Das ist so schön, dass ich unwillkürlich in mich hineingrinsen muss.
Und dann frage ich Isabel etwas, das ich schon den ganzen Nachmittag im Hinterkopf habe.
»Weißt du eigentlich, wer hier in der Nähe wohnt?«
Isabel hebt neugierig die Augenbrauen.
»Nö, wer denn?«, fragt sie und stippt sich eine Schneeflocke von der Nase.
»Philipp«, flüstere ich.
»Echt?«, staunt Isabel. »Woher weißt du das?«
Ich zucke mit den Schultern. Es ist mir sogar vor Isabelpeinlich zuzugeben, wie viel Zeit ich schon träumend vor Google Maps verbracht habe.
»Weißt du auch, wie wir dort hinkommen?«, fragt Isabel jetzt.
Ich nicke und merke, wie sich auf meinem Gesicht ein Grinsen breitmacht.
Heute werde ich mir Philipps Haus zum ersten Mal live und in Realtime ansehen!
Die Blamage vor Miri und Manu hat mich irgendwie mutig gemacht. Ich bin bereit für ein Abenteuer, auch wenn es ein noch so kleines ist!
Haha, M&M, denke ich, während ich Isabel mit traumwandlerischer Sicherheit den Weg durch den Schnee zeige, den ich virtuell schon so oft zurückgelegt habe. Dreht ihr nur hübsch eure Pirouettchen! Wir haben viel Besseres zu tun!
Es dauert nicht lange, bis wir die Mühlenstraße tatsächlich gefunden haben.
Das Haus mit der Nummer 16 ist eine unscheinbare Doppelhaushälfte, die aussieht wie alle anderen in der Gegend. Mit Ausnahme des roten Hagebuttenkranzes an der Tür.
Im ersten Moment bin ich maßlos enttäuscht. Kein Pomp, kein Trara, nicht die Spur von Luxus und kein Hauch von Glamour!
Doch dann sage ich mir, dass Philipp ja eigentlich in Berlin und nicht hier bei seinen Eltern wohnt.
Und irgendwie ist es ja auch süß, dass er hier so stinknormal haust.
Das macht ihn plötzlich noch greifbarer!
Unten im Fenster flimmert ein blaues Licht. Der Fernseher scheint zu laufen. Bestimmt sitzt Philipp davor. Andächtig bleiben wir im Dunkeln auf der anderen Seite der Straße stehen und sehen dem Flirren des Bildschirms zu.
Vielleicht hat Philipp ja die bunten Ringelsocken an, die er auf dem Weihnachtsmarkt gekauft hat!
Vielleicht sitzt er ja ganz alleine auf dem Sofa!
Vielleicht wünscht er sich ja, dass irgendein nettes Mädchen bei ihm wäre!
Und könnte es nicht auch ein Mädchen sein, das in einem Haus aufgewachsen ist, das genauso stinknormal ist wie dieses hier?
Plötzlich bekomme ich Lust, irgendein kleines Zeichen für Philipp zu hinterlassen. Mir ist auf einmal so, als würde er förmlich darauf warten!
»Bin gleich wieder da«, flüstere ich Isabel zu, schiebe mich in geduckter Haltung zwischen zwei Autos durch und sause dann wie ein Wiesel über die Straße.
Hinter einem Stromkasten verschnaufe ich.
Ob ich das wirklich machen soll?, frage ich mich. Mein Herz hämmert wie verrückt und meine Knie zittern, als hätten sie nicht 13, sondern schon 93 Jahre auf dem Buckel.
Isabel blickt erwartungsvoll zu mir herüber.
Also gut, jetzt oder nie!, sage ich mir und schleiche auf Zehenspitzen weiter.
Nur noch drei Schritte bis zur Haustür! Ich beuge mich gerade herunter, um das schönste Herz der Welt in den Schnee zu malen, als plötzlich das Licht des Bewegungsmelders angeht.
Erschrocken springe ich zurück in den Schutz des Stromkastens. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals.
Der kleine Vorhof zu Philipps Haus liegt in gleißendem Licht vor mir. Ich sehe Spuren im Schnee. Und zwar nicht nur meine eigenen. Der ganze Vorplatz ist voll davon.
Direkt vor Philipps Haustür liegen so viele Rosen, Teddybären und Grußgarten kunterbunt verstreut, dass man einen ganzen Fanshop damit ausstatten könnte.
Schlagartig wird mir bewusst, dass ich nicht die Einzige bin, die sich Hoffnungen auf den Platz neben Philipp macht!
Bisher konnte ich ja immer ganz gut verdrängen, dass Philipp auch noch andere Fans außer mir und M&M hat. Aber jetzt muss ich einsehen, dass Philipp nicht nur ein Heer von vielen, sondern auch von sehr tatkräftigen Verehrerinnen um sich schart …
Während ich noch zögernd in der Dunkelheit gekauert habe, haben diese Mädels schon eine ganze Batterie an Liebeserklärungen abgeliefert!
Ich möchte gar nicht wissen, wie viele von ihnen auch auf Google Maps waren! Ganz zu schweigen davon, wie viele Philipps Bild auf dem Nachttischkästchen stehen haben.
Auf einmal fühle ich mich ungefähr so einzigartig wie eine Packung mit Geschirrspültabs.
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