Casting fuer die Liebe
ordentlich durchschüttelt, versuche ich, seine Ingredienzien zu analysieren.
Nummer 1 ist Traurigkeit. Klar. Weil ich meine beste Freundin verloren habe. Und weil Luis und Isabel gerade eben so fröhlich waren, obwohl sie sich doch denken können, wie es mir geht. Ich scheine ihnen vollkommen egal zu sein!
Nummer 2 ist Eifersucht. Und es fällt mir verdammt schwer, das zuzugeben. Aber Isabel wirkte so verliebt und Luis war überhaupt nicht wiederzuerkennen. Eigentlich war er echt süß zu Isabel! Zu mir hat noch nie jemand gesagt, dass ich ihn glücklich mache!
Nummer 3 ist immer noch Wut. Weil Isabel mich hintergangen hat. Und weil sie sich ausgerechnet meinen Bruderausgesucht hat! Als ob es nicht genügend andere männliche Wesen auf diesem Planeten gegeben hätte!
Nummer 4 schließlich ist Unsicherheit. Weil ich gar nicht weiß, ob mir diese Wut überhaupt zusteht.
Man kann ja niemandem vorschreiben, in wen er sich zu verlieben hat und in wen nicht.
Ich weiß das.
Aber wütend bin ich trotzdem.
Den Rest des Nachmittags verbringe ich strickend auf meinem Zimmer. Denn dabei darf ich nicht zu viel nachdenken, sonst verzähle ich mich oder lasse eine Masche fallen. Und nachdenken tut mir im Moment echt nicht gut.
Das Abendessen verläuft genau wie gestern. Luis stellt sich scheintot. Er spricht nichts und guckt mich kein einziges Mal an.
Das wundert mich nicht weiter. Aber wenigstens von Isabel könnte doch ein Lebenszeichen kommen!
Ich würde zwar mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit nicht darauf eingehen. Aber ich finde trotzdem, dass Isabel noch mal versuchen sollte, sich mit mir zu versöhnen.
Doch darauf warte ich auch am nächsten Morgen in der Schule vergeblich. Isabel guckt nicht einmal mehr so reumütig wie gestern.
Na super, denke ich, scheinbar hat sie mich vollkommen gegen Luis eingetauscht. So wie es aussieht, war unsere Freundschaft nicht mal einen Pfifferling wert!
Am Nachmittag stricke ich die zweite Stulpe fertig. Obwohl ich genauso viele Reihen gestrickt habe wie bei der ersten, ist sie ein kleines bisschen kürzer geraten. Das liegt wohl daran, dass ich mehr Übung hatte und etwas fester und gleichmäßiger gestrickt habe. Aber so wie ich Philipp einschätze, ist er nicht so kleinkariert, dass ihn das stören würde.
Ich wickle mein fertiges Werk in Seidenpapier und stecke es in meinen Rucksack, um es gleich morgen früh bei Frau Geiger abzugeben.
Dann fange ich an, mein Outfit für den morgigen Abend zusammenzustellen. Ich reiße den gesamten Inhalt meines Kleiderschranks heraus, ziehe mich gefühlte hundert Mal um und entscheide mich am Schluss doch für die Kombi, die ich schon als Erstes anhatte. Ist das nicht immer so? Vermutlich gibt es so eine Art ungeschriebenes Gesetz, damit manche Teile wenigstens einmal im Jahr den dunklen Kleiderschrank verlassen und das Tageslicht erblicken dürfen.
Meine Wahl fällt auf einen einfachen schwarzen Rolli, meinen Jeansminirock und lila Strümpfe. Denn in Kombination mit den dunklen Farben wird mein gesträhntes, goldglänzendes Haupt morgen sicher noch mehr strahlen.
An diesem Abend gehe ich ziemlich früh ins Bett, weil ich morgen topfit sein will.
Ich bin schon fast eingeschlummert, als mir noch etwaseinfällt. Schlaftrunken wühle mich wieder unter meiner Decke hervor, gehe zum Schreibtisch und hole das Päckchen mit den Stulpen noch einmal aus meinem Rucksack. Dann wickle ich es vorsichtig aus und drücke 25 Küsse auf die bunte Wolle.
Frau Geiger sieht mir erwartungsvoll entgegen, als ich am nächsten Morgen kurz vor Schulbeginn mit meinem kleinen Paket im Werkraum erscheine.
»Wollen wir mal sehen, was du da Schönes hast«, sagt sie und wickelt neugierig das Papier ab.
Dann ist es erst mal ganz still im Zimmer. Frau Geiger sieht auf die Stulpen, dann auf mich und schließlich sagt sie:
»Du hast dir …« Sie räuspert sich und fährt dann fort: »… Mühe gegeben! Danke, Leonie.«
Okay, ein Feuerwerk an Begeisterung ist etwas anderes. Aber so eine Kunstlehrerin Ende fünfzig hat den Geschmack ja auch nicht für sich gepachtet.
Ich grinse, sage »Gern geschehen!« und mache auf dem Absatz kehrt.
Im Klassenzimmer setze ich mich gerade an meinen Platz neben Isabel, die bei meinem Eintreten halb in ihrer Schultasche verschwindet, als der Giftzwerg hereinspaziert. Er macht ein ernstes Gesicht und hält einen dicken Stapel karierter Blätter unter dem Arm. Unsere Schulaufgaben!
Heute ist also die Stunde der
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