Cataneo - Der Weg Splendors (German Edition)
die Tasche seines Mantels. Dann betrachtete er sein nacktes Gesicht in einem Spiegel, der hinter dem Tresen hing. Die Narben waren tief und er schämte sich, sich so gezeigt zu haben. Es war eine Pein, sich so zu betrachten. Er senkte den Kopf und schlich zu einer Tür im hinteren Teil des Raumes. Dort befand sich sein Zimmer. Dieses war sehr klein und äußerst liebevoll eingerichtet. Einige Pflanzen standen am Fenster und an einer der Wände hing ein Schwert zur Zierde. Er selbst verabscheute Waffen, doch es war die einzige Erinnerung, die ihm an sein Zuhause geblieben war. Vor vielen Jahren hatte er seine Familie verlassen, um dieses Gasthaus zu führen. Sein Traum wurde wahr, doch es kostete ihn seine Familie. Die Angst um die Kinder ließ seine Frau nicht los. Eine so große Stadt wie Zitelia würde sie nur in die Knie zwingen, so dachte sie. Ihre Angst vor dem Gespött der anderen Völker war stärker gewesen als die Liebe zu ihm. Auch seine Vergangenheit hatte großen Einfluss auf ihre Ablehnung. Wenn der Orkführer ihn finden würde, wäre jeder ihrer Familie in Gefahr. Es war ein tränenreicher Abschied. Sie gab ihm damals dieses Schwert mit auf den Weg. »Es wird dich beschützen«, versprach sie. Doch Xeroi hatte es nie gebraucht. Die meisten behandelten ihn gut und er fühlte sich in Zitelia wohl. Nur in einigen Nächten spürte er die Einsamkeit und sehnte sich nach seiner Heimat. Diese Nacht war so eine. Bald würde die Sonne den Horizont erreichen und ein neuer Tag beginnen, doch bis dahin hatte Xeroi noch etwas Zeit, um sich auszuruhen. Er war plötzlich sehr erschöpft, konnte kaum dagegen angehen. Rasch fielen ihm die Augen zu.
Er träumte von unverständlichen Geschehnissen: Er sah Berge, die bis in den Himmel ragten und durch die Wolken brachen. Das Land um ihn herum war wie ausgestorben. Keine einzige grüne Pflanze und der Boden war so sandig und trocken, dass sich bis in die Ferne Risse über die karge Landschaft zogen. Mitten im Traum verdunkelte sich der Himmel und tauchte die Umgebung in ein seltsames Zwielicht. Am Horizont erkannte er die Umrisse tausender Krieger. Eine Streitmacht, die die Erde beben ließ. Im Anblick dessen erwachte der Sandari schweißgebadet. Er war durcheinander, denn dieser Traum hatte ihn durch seine ungeheuerliche Realität erschüttert. Doch er maß diesem Traum schon kurze Zeit später keine Bedeutung mehr bei. Die Sehnsucht nach seiner Familie, so dachte er, hatte ihn gedanklich an einen solch düsteren Ort geschickt.
Nachdem er sich gewaschen hatte, hüllte sich der Sandari in seine gewohnte Kleidung, erst dann schloss er die Türen des Gasthauses auf und verließ es, kurz nachdem einer seiner beiden Angestellten eingetroffen war, um mit der alltäglichen Arbeit zu beginnen. Vor der Tür ging alles bereits seinen gewohnten Gang, die Straßen wirkten wieder lebendig durch die vielen Menschen, die umherliefen. Des Tages fühlten sie sich sicher. König Carus hatte aushängen lassen, dass sie weiterhin lediglich in der Nacht in ihren Häusern zu bleiben hatten.
Die frische Luft tat dem Wirt unheimlich gut, er fühlte sich gleich etwas besser. Dieser Tag war zwar nicht sonnig und auch etwas frisch, aber das senkte die allseits gute Laune im Marktviertel keineswegs. In der Herberge hatten sich die ersten Gäste an den Tischen niedergelassen, um zu frühstücken. Das Geschäft hätte für Xeroi nicht besser laufen können als in der letzten Zeit. Viele waren auf der Durchreise in den Norden, dort waren die Waren derzeit sehr günstig, denn die Handelspreise hatten sich durch die hohe Nachfrage an Kleidung und Lebensmittel geändert. Weshalb die Völker der anderen Städte und Dörfer diese weiten Reisen auf sich nahmen, war dem Wirt jedoch egal. Für ihn zählte nur der Gedanke, dass sich die Eröffnung des Gasthauses gelohnt hatte. Stolz ging er zurück in seine Kammer und zog den schwarzen Umschlag aus seiner Manteltasche. Er fragte sich, wie viel ihm der Gast wohl als zusätzliches Dankeschön gezahlt hatte. Es wäre nicht das erste mal, dass einer der zufriedenen Gäste ihm eine Zusatzzahlung aushändigte. Doch statt Gold oder Silber befand sich in dem Umschlag ein Brief, der eine schwarze Sense als Siegel trug. Erschrocken darüber schloss Xeroi in Windeseile die Tür seines Zimmers. Er hatte diese Sense schon einmal gesehen. Doch dies lag viele Jahre zurück, damals war er noch sehr jung gewesen und hatte keine Ahnung gehabt, auf was er sich da einließ.
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