Catch 22
Dankbarkeit erfüllt, weil der Colonel überhaupt etwas gesagt hatte. »Die Leute fragen sich, warum Sie nicht Mannschaften aus Afrika anfordern, die ja darauf warten, hierher versetzt zu werden, und die alten Leute nach Hause schicken.«
»Das ist eine administrative Angelegenheit«, sagte der Colonel, »und geht sie nichts an.« Dann deutete er schlaff nach der Wand.
»Nehmen Sie sich eine Tomate, Kaplan. Nur zu, auf meine Kosten.«
»Danke sehr, Sir. Sir ...«
»Lassen Sie es gut sein. Wie gefällt es Ihnen da draußen im Wald, Kaplan? Alles tiptop?«
»Jawohl, Sir.«
»Das ist schön. Melden Sie sich bei uns, wenn Sie was brauchen.«
»Jawohl, Sir. Vielen Dank, Sir. Sir ...«
»Dank für Ihren Besuch, Kaplan. Ich habe jetzt zu arbeiten. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Ihnen was einfällt, was uns helfen könnte, unsere Namen in der Saturday Evening Post gedruckt zu sehen.«
»Jawohl, Sir.« Der Kaplan machte eine unerhörte Willensanstrengung und warf sein Herz tollkühn über die Hürde. »Ich mache mir besondere Sorge über den Zustand eines der Bombenschützen, Sir. Yossarián.«
Der Colonel sah schnell auf, denn ihm war eine undeutliche Erinnerung gekommen. »Um wen?« fragte er erschreckt.
»Yossarián, Sir.«
»Yossarián?«
»Jawohl, Sir. Yossarián. Er ist sehr, sehr übel dran, Sir. Ich glaube, er ist nicht imstande, noch viel durchzumachen, ohne etwas Verzweifeltes zu unternehmen.«
»Ach wirklich, Kaplan?«
»Jawohl, Sir, ich fürchte, es ist so.«
Der Colonel dachte gewichtig einige Augenblicke darüber nach.
»Raten Sie ihm, auf Gott zu vertrauen«, empfahl er schließlich.
»Danke vielmals, Sir«, sagte der Kaplan. »Das werde ich tun.«
Korporal Whitcomb
Die Morgensonne des späten Augusttages schimmerte heiß und dunstig, und auf der Galerie rührte sich kein Lüftchen. Der Kaplan bewegte sich bedächtig. Als er auf den Gummisohlen und Gummiabsätzen seiner braunen Schuhe geräuschlos das Büro des Colonels verließ, war er niedergeschlagen und machte sich schwere Vorwürfe. Er haßte sich um dessentwillen, was er als seine Feigheit ansah. Er hatte sich vorgenommen, in der Sache der sechzig Feindflüge Colonel Cathcart gegenüber viel größere Standhaftigkeit zu beweisen, mutig, logisch und beredt über einen Gegenstand zu sprechen, der ihm jetzt sehr am Herzen lag.
Statt dessen war es ein erbärmlicher Fehlschlag geworden, hatte er wieder einmal angesichts des Widerstandes einer stärkeren Persönlichkeit alles herunter geschluckt. Das war eine ihm nur zu wohlbekannte, schimpfliche Erfahrung, und daher dachte er schlecht von sich.
Gleich darauf mußte er noch kräftiger schlucken, denn er erspähte Colonel Korns tonnenförmige, einfarbige Gestalt, die ihm mit affektierter Eile aus der vernachlässigten Halle mit den hochstrebenden Wänden von dunklem, gesprungenem Marmor und dem runden, mit zersplitterten Fliesen belegten Fußboden über die breit geschwungene Treppe aus gelbem Stein entgegen kam.
Der Kaplan fürchtete Colonel Korn noch mehr als Colonel Cathcart. Der schwärzlich braune, ältliche Lieutenant-Colonel mit den randlosen eisigen Brillengläsern und dem polierten, haarlosen, kuppelförmigen Schädel, den er immer wieder tastend mit den Spitzen der plumpen Finger berührte, schätzte den Kaplan nicht und behandelte ihn stets unhöflich. Er hielt den Kaplan mit knappen, verächtlichen Bemerkungen und wissenden, zynischen Blicken, denen zu begegnen der Kaplan anders als zufällig nicht den Mut hatte, in einem fortdauernden Zustand der Angst. Die Aufmerksamkeit des Kaplans, als er nun demütig vor Colonel Korn stand, richtete sich unvermeidlich auf dessen Taille, der das sich über den herabrutschenden Gürtel ballonartig bauschende Hemd das Aussehen schlampiger Fettleibigkeit verlieh und ihn kleiner wirken ließ als er war. Colonel Korn war ein nachlässiger, hochmütiger Mann mit öliger Haut. Von der Nase zogen sich fast schnurgerade tiefe Falten bis zu dem eckigen, gespaltenen Kinn.
Das Gesicht war hart. Als die beiden sich auf der Treppe entgegen kamen und im Begriff waren, aneinander vorbeizugehen, sah Colonel Korn durch den Kaplan hindurch, scheinbar ohne ihn zu erkennen.
»Tag, Pater«, sagte er dann tonlos, ohne den Kaplan anzusehen.
»Wie gehts denn immer?«
»Guten Morgen, Sir«, erwiderte der Kaplan, der klug genug war, zu merken, daß der Colonel keine ausführlichere Antwort auf seine Frage erwartete.
Colonel Korn erstieg die Treppe, ohne sein Tempo
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