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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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zu verringern, und der Kaplan überwand die Versuchung, ihn noch einmal daran zu erinnern, daß er kein Katholik, sondern Anabaptist sei, und daß er daher weder notwendig noch korrekt war, ihn mit Pater anzureden. Er war beinahe davon überzeugt, daß Colonel Korn dies genau wußte, und daß die mit harmlosem Gesichtsausdruck vorgebrachte Anrede Pater nur eine der Sticheleien Colonel Korns darstellte, mit denen er den Kaplan quälte, weil der nichts weiter war als ein Anabaptist.
    Colonel Korn blieb unvermittelt stehen, als er über dem Kaplan angelangt war und redete ihn wütend und mißtrauisch an. Der Kaplan erstarrte.
    »Was machen Sie mit der Tomate, Kaplan?« fragte Colonel Korn grob.
    Der Kaplan sah überrascht an seinem Arm hinunter auf die Tomate, die Colonel Cathcart ihm aufgedrängt hatte. »Ich habe sie aus Colonel Cathcarts Büro, Sir«, brachte er schließlich heraus.
    »Weiß der Colonel, daß Sie die Tomate mitgenommen haben?«
    »Jawohl, Sir. Er hat sie mir geschenkt.«
    »Oh, dann ist ja alles in Ordnung«, sagte Colonel Korn besänftigt. Er lächelte ohne Wärme und stopfte mit den Daumen das hervorquellende Hemd in seine Hose. Eine ganz private, höchst befriedigende Bosheit blitzte aus seinen Augen. »Warum hat Colonel Cathcart Sie zu sich bestellt, Pater?« fragte er plötzlich.
    Unentschlossenheit verschlug dem Kaplan vorübergehend die Sprache. »Ich weiß nicht, ob ich ...«
    »Möchte er, daß Sie Ihre Gebete an die Herausgeber der Saturday Evening Post richten?«
    Der Kaplan lächelte beinahe. »Jawohl, Sir.-«
    Colonel Korn war entzückt von seiner eigenen Intuition. Er lachte geringschätzig. »Ich habe mir schon gedacht, daß er nach der Lektüre der letzten Ausgabe der Saturday Evening Post sofort auf einen derartig blöden Gedanken verfallen würde. Ich hoffe, daß Sie ihm klar gemacht haben, wie absurd dieser Einfall ist.«
    »Er hat sich dagegen entschieden, Sir.«
    »Sehr schön. Es freut mich, daß Sie ihm auseinandergesetzt haben, daß die Herausgeber der Saturday Evening Post nicht zweimal die gleiche Geschichte abdrucken werden, nur um einem obskuren Colonel Publizität zu verschaffen. Wie stehen denn die Dinge in der Wildnis, Pater? Kommen Sie da draußen zurecht?«
    »Jawohl, Sir. Es geht alles recht gut.«
    »Sehr schön. Es freut mich zu hören, daß Sie keine Beschwerden vorzubringen haben. Sagen Sie Bescheid, wenn Sie was brauchen.
    Es liegt uns allen daran, daß Sie sich da draußen gut amüsieren.«
    »Sehr gerne, Sir. Das werde ich tun.«
    Unten in der Halle wurde es lauter. Es war fast Essenszeit, und die ersten Ankömmlinge schlenderten in die Stabsmessen. Offiziere und Mannschaften gingen in verschiedene Messen, deren Eingänge einander in der Halle gegenüberlagen. Colonel Korn hörte auf zu lächeln.
    »Sie haben doch erst kürzlich hier gegessen, nicht wahr, Pater?«
    fragte er bedeutungsvoll.
    »Jawohl, Sir. Vorgestern.«
    »Dacht' ich's doch«, bemerkte Colonel Korn und machte eine Pause, um seine Bemerkung einsinken zu lassen. »Also lassen Sie sich's gut gehen, Pater. Wir sehen uns, wenn Sie das nächste Mal hier essen.«
    »Jawohl, Sir.«
    Der Kaplan wußte nicht genau, in welcher der fünf Offiziers- oder fünf Mannschaftsmessen er an diesem Tage essen sollte, denn das Wechselschema, das Colonel Korn für ihn ausgearbeitet hatte, war sehr kompliziert, und er hatte die Unterlagen im Zelt zurückgelassen. Der Kaplan war der einzige zum Stab kommandierte Offizier, der nicht in dem verfallenden roten Stabsbau oder einem der kleineren Satellitengebäude hauste, die abgesondert den Stabsbau umstanden. Der Kaplan wohnte auf einer Waldlichtung zwischen dem Offizierskasino und dem Bereich der ersten Staffel, etwa sechs Kilometer entfernt. Die vier Staffelbereiche schlössen sich schnurgerade hintereinander dem Stabsbereich an. Der Kaplan wohnte allein in einem geräumigen, quadratischen Zelt, das ihm auch als Büro diente. Des Nachts drang fröhlicher Lärm vom Offizierskasino zu ihm herüber und hinderte ihn oft am Schlafen. Dann warf er sich auf seinem Feldbett in geduldiger, halb freiwilliger Ausgeschlossenheit hin und her. Er war nicht imstande, die Wirkung der harmlosen Pillen einzuschätzen, mit denen er gelegentlich den Schlaf herbeizurufen suchte, und wenn er sie eingenommen hatte, fühlte er tagelang Gewissensbisse.
    Der einzige, der die Waldlichtung mit dem Kaplan teilte, war sein Gehilfe, Korporal Whitcomb. Korporal Whitcomb war Atheist und ein

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