Catch 22
zu verkünden.
»Haben wir die Brücke getroffen?« fragte McWatt dann.
»Ich konnte es nicht sehen, Sir, ich bin hier hinten ziemlich herumgeschleudert worden und konnte nichts sehen. Jetzt ist die ganze Gegend voller Rauch, und ich kann nichts sehen.«
»He, Aarfy, sind die Bomben ins Ziel gefallen?«
»Was für ein Ziel?« sagte dann Captain Aardvaark, Yossariáns pummeliger, pfeiferauchender Beobachter, der zwischen Bergen von Luftkarten neben Yossarián in der Bugkanzel saß. »Wir sind doch wohl noch nicht über dem Zielgebiet, wie?«
»Sind die Bomben ins Ziel gefallen, Yossarián?«
»Welche Bomben?« sagte Yossarián, der sich nur um die Flak gekümmert hatte.
»Na, was soll schon sein«, krähte McWatt dann.
Yossarián war es völlig einerlei, ob er das Ziel traf oder nicht, solange es nur von Havermeyer oder einem der anderen Bombenschützen getroffen wurde und man nicht noch einmal umzukehren brauchte. Ab und an ergrimmte jemand so furchtbar über Havermeyer, daß er ihm eine schmierte.
»Habe ich nicht gesagt, ihr sollt Captain Havermeyer in Ruhe lassen?« verwarnte Colonel Cathcart dann alle gereizt. »Hab' ich nicht gesagt, daß er unser bester Bombenschütze ist?«
Wenn sich der Colonel dergestalt einmischte, grinste Havermeyer und stopfte sich eine Hand voll zerstoßener Erdnußkerne ins Gesicht.
Havermeyer hatte große Geschicklichkeit darin erlangt, nachts mit der Pistole, die er dem toten Mann in Yossariáns Zelt gestohlen hatte, auf Feldmäuse zu schießen. Als Köder benutzte er einen Riegel Schokolade, und er hielt den Lauf schon auf den Köder gerichtet, wenn er im Dunkeln saß und auf das Knabbern wartete, einen Finger in der Schlinge der Schnur, die vom Rahmen seines Moskitonetzes zum Zugschalter über der nackten Glühbirne an der Decke führte. Die Schnur war straff gespannt wie eine Gitarrensaite und betätigte bei der geringsten Bewegung des Fingers den Schalter, und das zitternde Opfer wurde von einem grellen Lichtstrahl geblendet. Havermeyer betrachtete dann erwartungsvoll kichernd das winzige Säugetier, das starr vor Schreck dasaß und verängstigt nach allen Seiten äugte, um den Feind ausfindig zu machen. Havermeyer wartete, bis diese Augen in seine eigenen Augen blickten, dann lachte er laut und drückte auf den Abzug, und der kleine pelzige Körper spritzte unter fürchterlichem Krachen gegen die Zeltwände, wählend die Seele zu ihrem Schöpfer einging.
Als Havermeyer eines Nachts schon ziemlich spät wieder auf eine Maus schoß, stürzte Hungry Joe barfuß und aus Leibeskräften brüllend aus seinem Zelt, stürmte wie ein Rasender die Böschung der Eisenbahntrasse hinauf und feuerte dabei jede Patrone aus dem Magazin seiner Pistole in Havermeyers Zelt. Gleich darauf verschwand er in einem der Splittergräben, die, wie von Zauberhand ausgehoben, neben jedem Zelt erschienen waren, nachdem Milo Minderbinder das Geschwader bombardiert hatte. Dies ereignete sich kurz vor der Dämmerung, während der Großmächtigen Belagerung von Bologna, und zungenlose, tote Männer bevölkerten wie lebende Gespenster die Nachtstunden. Hungry Joe war fast verrückt vor Angst, denn er hatte wiederum die vorgeschriebene Anzahl von Feindflügen hinter sich und brauchte nicht mehr zu fliegen. Hungry Joe plapperte unzusammenhängendes Zeug, als man ihn aus dem feuchten Splittergraben fischte, er faselte von Schlangen, Ratten und Spinnen. Die anderen leuchteten sicherheitshalber mit ihren Taschenlampen in den Graben.
Im Graben war nichts als abgestandenes Regenwasser.
»Da seht ihr's!« schrie Havermeyer. »Ich habe doch gesagt, daß er verrückt ist!«
DocDaneek
Hungry Joe war verrückt, und das wußte niemand besser als Yossarián, der alles tat, um ihm behilflich zu sein. Hungry Joe wollte aber einfach nicht hören. Hungry Joe wollte einfach nicht hören, weil er seinerseits Yossarián für verrückt hielt.
»Warum sollte er auch auf dich hören?« erkundigte Doc Daneeka sich bei Yossarián, ohne aufzublicken.
»Weil er in Schwulitäten ist.«
Doc Daneeka schnaufte' verächtlich. »Er in Schwulitäten? Was soll ich da erst sagen!« Dann fuhr er gedehnt und mit finsterem Spott fort: »Oh, ich beklage mich nicht. Ich weiß sehr wohl, daß Krieg ist. Ich weiß, daß viele Menschen leiden müssen, damit wir siegen. Warum aber soll gerade ich zu diesen gehören? Warum ziehen sie nicht ein paar von jenen alten Ärzten ein, die unablässig in der Öffentlichkeit das Maul aufreißen und
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