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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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muß?«
    »Gewiß doch«, stimmte Yossarián zu.
    »Was für einen Unterschied macht es schon, ob ich in der Maschine sitze oder nicht?«
    »Nicht den geringsten.«
    »Siehst du! Genau das finde ich auch«, sagte Doc Daneeka. »Wer gut schmiert, der gut fährt. Eine Hand wäscht die andere. Du verstehst doch? Du kratzt mir den Rücken, und dafür kratze ich dir den Rücken.«
    Yossarián verstand, was gemeint war.
    »So habe ich das nicht gemeint«, sagte Doc Daneeka, als Yossarián ihm den Rücken zu kratzen begann. »Ich spreche von Zusammenarbeit. Von Gefälligkeiten. Du tust mir einen Gefallen, und ich erweise dir einen Gefallen.«
    »Dann tu mir einen Gefallen«, verlangte Yossarián.
    »Kommt nicht in Frage«, erwiderte Doc Daneeka.
    Es war etwas Erschreckendes und Zwergenhaftes an Doc Daneeka, wenn er so oft als möglich in den khakifarbenen Sommerhosen und dem kurzärmeligen Sommerhemd, das durch die tägliche Wäsche, der er es unterwarf, fast zu einem antiseptischen Grau verblichen war, verzagt in der Sonne vor dem Zelt saß. Er glich einem Menschen, der einmal vor Schreck zu Eis gefroren und seither nie wieder ganz aufgetaut ist. Er saß da ganz in sich zusammengenommen, die zarten Schultern halb um den Kopf gefaltet, und die sonnengebräunten Hände mit den silbrig leuchtenden Fingernägeln strichen sachte über die nackten Unterarme, als friere er. In Wirklichkeit war er ein warmblütiger, mitfühlender Mann, der nie aufhörte, sich selbst zu bemitleiden.
    »Warum gerade ich?« lautete seine stete Klage, und das war eine sehr gute Frage.
    Yossarián erkannte diese Frage als eine gute Frage, denn Yossarián war ein Sammler von guten Fragen und hatte diese dazu benutzt, jene Bildungs-Versammlungen zu sprengen, die Clevinger vormals an zwei Abenden der Woche gemeinsam mit dem bebrillten Korporal, von dem alle Welt wußte, daß er möglicherweise ein subversives Element war, in Captain Blacks Nachrichtenzelt abgehalten hatte. Captain Black jedenfalls hatte den Korporal als subversives Element entlarvt, denn der Korporal trug eine Brille, benutzte Wörter wie Panazee und Utopia und achtete Adolf Hitler nicht, der doch in Deutschland bei der Bekämpfung unamerikanischer Umtriebe einen so großartigen Erfolg erzielt hatte. Yossarián nahm an den bildenden Zusammenkünften teil, weil er herausbekommen wollte, warum sich so viele Leute so große Mühe machten, ihn umzubringen. Es gab auch noch eine Handvoll anderer Interessenten, und man stellte viele und gute Fragen, nachdem Clevinger und der subversive Korporal zu Ende waren und den Fehler begingen zu fragen, ob irgend jemand irgendwelche Fragen habe.
    »Wer ist Spanien?«
    »Warum ist Hitler?«
    »Wann ist Recht?«
    »Wo war jener krumme, mehlfarbene alte Mann, den ich Poppä zu nennen pflegte, als das Karussell kaputt ging?«
    »Wie war in München Trumpf?«
    »Ho-Ho, Berie-Berie.«
    und »Quatsch!«
    Das alles in schneller Folge, und dann rückte Yossarián mit der Frage heraus, auf die es keine Antwort gab: »Wo sind die Snowdens vom Vorjahr?«
    Diese Frage rief Unruhe hervor, denn Snowden war über Avignon getötet worden, als Dobbs mitten in der Luft durchdrehte und Huple den Knüppel aus der Hand riß.
    Der Korporal stellte sich dumm. »Was ?« fragte er.
    »Wo sind die Snowdens vom Vorjahr?«
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht recht.«
    »Ou sont les Neigedens d'antan?« sagte Yossarián, um es ihm begreiflicher zu machen.
    »Parlez en anglais, um Himmelswillen«, sagte der Korporal. »Je ne parle pas francais.«
    »Ich auch nicht«, erwiderte Yossarián, bereit ihn durch alle Sprachen der Welt zu verfolgen, um ihm, wenn möglich, sein Wissen abzujagen, doch mischte Clevinger sich ein, in dessen ausgemergelten Augen es bereits feucht von Tränen glitzerte.
    Beim Stab entstand Bestürzung, denn es war unmöglich zu sagen, was geschehen mochte, wenn sich jedermann berechtigt fühlte, nach Lust und Laune Fragen zu stellen. Colonel Cathcart entsandte Colonel Korn, um diesem Treiben Einhalt zu tun, und es gelang Colonel Korn, eine Verordnung über das Stellen von Fragen in Kraft zu setzen. Colonel Korns Verordnung war ein Geniestreich, wie Colonel Korn in seinem Bericht an Colonel Cathcart hervorhob. Colonel Korns Verordnung bestimmte, daß es nur jenen Personen gestattet war, Fragen zu stellen, die niemals Fragen stellten. Sehr bald beteiligte sich niemand mehr an den Zusammenkünften, außer jenen, die niemals Fragen stellten, und die Zusammenkünfte

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