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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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ausziehen, Arme, Brust und Schultern waschen, Wasser trinken, sich niederlegen und vielleicht sogar einige Minuten schlafen könne. Es standen ihm aber noch eine Enttäuschung und noch ein Schrecken bevor, denn als er endlich anlangte, war Korporal Whitcomb Sergeant Whitcomb, saß mit bloßem Oberkörper auf dem Stuhl des Kaplans und nähte mit Nadel und Faden des Kaplans seine neuen Rangabzeichen an. Korporal Whitcomb war von Colonel Cathcart befördert worden, der den Kaplan sofort wegen der Briefe sprechen wollte.
    »Oh, nicht doch«, ächzte der Kaplan erschlagen und sank auf sein Bett. Seine warme Feldflasche war leer, und er war zu erschöpft, um an den Wasserbeutel zu denken, der draußen im Schatten zwischen den beiden Zelten hing. »Ich kann es nicht glauben.
    Ich kann einfach nicht glauben, daß irgend jemand im Ernst annehmen soll, ich hätte Washington Irvings Unterschrift nachgemacht.«
    »Nicht um die Briefe handelt es sich«, berichtigte Korporal Whitcomb, dem der Verdruß des Kaplans offensichtlich Vergnügen bereitete. »Er will Sie wegen der Briefe an die Angehörigen der Gefallenen sprechen.«
    »Jener Briefe wegen?« fragte der Kaplan überrascht.
    »Ganz recht«, sagte Korporal Whitcomb schadenfroh. »Er wird Sie ordentlich zur Sau machen, weil Sie sich geweigert haben, mich diese Briefe aufsetzen zu lassen. Sie hätten mal sehen sollen, wie er sich für den Gedanken begeisterte, nachdem ich ihn darauf hingewiesen hatte, daß die Briefe ja seine Unterschrift tragen könnten. Deshalb hat er mich auch befördert. Er glaubt ganz sicher, daß er für diesen Einfall in die Saturday Evening Post kommt.« Die Verwirrung des Kaplans wurde immer größer.
    »Woher hat er denn gewußt, daß wir diesen Gedanken überhaupt ins Auge gefaßt hatten?«
    »Ich bin zu ihm gegangen und habe ihn ihm vorgetragen.«
    »Was haben Sie getan?« kreischte der Kaplan und sprang mit einer an ihm ungewohnten Anwandlung von Zorn auf die Füße.
    »Wollen Sie damit sagen, daß Sie über meinen Kopf weg und ohne mich um Erlaubnis zu fragen in dieser Angelegenheit zum Colonel gegangen sind?«
    Korporal Whitcomb grinste unverschämt, verächtlich und selbstzufrieden. »Genau, Kaplan«, erwiderte er. »Und wenn Sie wissen, was gut für Sie ist, unternehmen Sie nichts deshalb.« Er lachte leise und bösartig. »Colonel Cathcart wird nicht gerne hören, daß Sie sich an mir rächen, weil ich ihm meinen Einfall unterbreitet habe. Wissen Sie was, Kaplan?« fuhr Korporal Whitcomb fort, biß verächtlich den schwarzen Zwirn des Kaplans durch und zog sich sein Hemd an, »der blöde Hund hält das wirklich für einen der besten Einfälle, von denen er je gehört hat.«
    »Vielleicht komme ich damit sogar in die Saturday Evening Post«, prahlte Colonel Cathcart und stolzierte lächelnd und aufgeräumt durch sein Büro, während er dem Kaplan Vorwürfe machte. »Und Sie haben nicht genug Verstand, um das zu begreifen. Sie haben da einen sehr guten Mann an Korporal Whitcomb, Kaplan, und ich hoffe nur, Sie haben genug Verstand, um wenigstens das zu begreifen.«
    »Sergeant Whitcomb«, berichtigte der Kaplan, ehe er sich bremsen konnte.
    Colonel Cathcart funkelte ihn wild an. »Ich sagte Sergeant Whitcomb«, erwiderte er. »Wenn Sie nur mal gelegentlich zuhören wollten, statt immer nur an allem und jedem herumzumäkeln. Sie wollen doch wohl nicht Ihr Leben lang Captain bleiben, was?«
    »Wie, Sir?«
    »Nun, ich jedenfalls sehe nicht, wie Sie es zu was bringen wollen, wenn Sie so weitermachen. Korporal Whitcomb ist der Ansicht, daß ihr Brüder in neunzehnhundertundvierzig Jahren keinen neuen Einfall gehabt habt, und ich muß sagen, ich glaube, er hat recht. Sehr gescheiter Junge, dieser Korporal Whitcomb. Nun, das wird sich alles ändern.« Colonel Cathcart nahm mit entschlossener Miene an seinem Schreibtisch Platz und begann ein großes, sauberes Loch in seine Löschunterlage zu bohren. Als er damit fertig war, steckte er den Finger durch. »Von morgen an«, sagte er dann, »erwarte ich, daß Sie und Korporal Whitcomb an die Angehörigen eines jeden Mannes vom Geschwader, der fällt, gefangengenommen oder verwundet wird, einen Beileidsbrief schreiben. Ich möchte, daß diese Briefe aufrichtige Briefe sind.
    Ich möchte, daß diese Briefe so voll sind von persönlichen Redewendungen, daß kein Zweifel daran aufkommt, daß ich alles geradeso meine, wie Sie es schreiben. Klar?«
    Der Kaplan trat impulsiv vor, um Einwände zu machen. »Das ist

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