Catch 22
hassen, daß Sie gar nicht wissen, was Sie machen sollen. Das sind Sexualträume, über die ich mich gerne unterhalte. Träumen Sie denn nie sowas?«
Yossarián dachte ein Weilchen mit weiser Miene nach. »Das war ein Fischtraum«, entschied er dann.
Stabsarzt Sanderson wich zurück, als sei er geohrfeigt worden.
»Selbstredend«, gestand er frostig ein und jetzt war er ganz barsch und voller Abwehr. »Ich möchte aber, daß Sie meinen Traum trotzdem träumen, nur um Ihre Reaktion zu prüfen. Das ist für heute alles. Lassen Sie sich bis zum nächsten Mal bitte auch die Antworten auf die Fragen einfallen, die ich Ihnen gestellt habe. Sie müssen nämlich wissen, daß diese Sitzungen für mich genauso unangenehm sind wie für Sie.«
»Ich werde es Dunbar sagen«, erwiderte Yossarián.
»Dunbar?«
»Er hat damit angefangen. Es ist eigentlich sein Traum.«
»Ah, Dunbar«, Stabsarzt Sanderson grinste hämisch, sein Selbstvertrauen kehrte zurück. »Ich wette, Dunbar ist jener Tunichtgut, der in Wirklichkeit all die Streiche begeht, die man Ihnen in die Schuhe schiebt, wie?«
»Ein Tunichtgut ist er eigentlich nicht.«
»Und doch werden Sie ihn bis zum letzten Atemzug verteidigen, was?«
»Nein, ganz so weit nicht.«
Stabsarzt Sanderson lächelte hochnäsig und schrieb »Dunbar«
auf seinen Block. »Warum hinken Sie?« fragte er scharf, als Yossarián zur Tür schritt. »Und was zum Teufel soll diese Bandage da an Ihrem Bein? Sind Sie vielleicht verrückt?«
»Ich habe eine Verwundung am Bein, deshalb bin ich im Lazarett.«
»O nein, das sind Sie nicht«, sagte Stabsarzt Sanderson boshaft. »Sie sind im Lazarett, weil Sie Steine in der Speicheldrüse haben. Sie sind mir schon so ein Schlaumeier — weiß nicht mal, weshalb er hier ist!«
»Ich bin einer Beinverwundung wegen im Lazarett«, beharrte Yossarián. Stabsarzt Sanderson überhörte diesen Einwand und lachte höhnisch. »Grüßen Sie mir Ihren Freund Dunbar und sagen Sie ihm doch bitte, er möge jenen Traum mir zu Gefallen träumen.«
Dunbar litt jedoch an Kopfschmerzen und Schwindel und hatte keine Lust, Stabsarzt Sanderson diesen Gefallen zu tun. Hungry Joe träumte zwar wieder Alpträume, denn er hatte sechzig Feindflüge hinter sich und erwartete seinen Marschbefehl in die Heimat, er weigerte sich bei einem Besuch im Lazarett jedoch strikt, über seine Träume zu sprechen.
»Hat denn niemand einen Traum für Stabsarzt Sanderson?«
fragte Yossarián. »Ich möchte ihn nicht gerne enttäuschen, denn er fühlt sich ohnehin schon schlecht behandelt.«
»Seit ich von Ihrer Verwundung gehört habe, träume ich einen merkwürdigen Traum«, bekannte der Kaplan. »Früher habe ich jede Nacht geträumt, meine Frau und meine Kinder erstickten an den Resten nahrhafter Speisen, doch jetzt träume ich, daß ich unter Wasser schwimme und daß ein Hai mein Bein genau da anknabbert, wo Sie Ihren Verband tragen.«
»Das ist ein herrlicher Traum, und ich wette, daß Stabsarzt Sanderson entzückt davon sein wird.«
»Das ist ein grauenhafter Traum!« rief Stabsarzt Sanderson. »Es wimmelt darin ja von Schmerzen, Verstümmelung und Tod. Ich zweifele nicht, daß Sie ihn nur mir zum Trost geträumt haben. Ich bin nicht einmal gewiß, daß ein Mensch wie Sie, der so widerliche Träume hat, militärdiensttauglich ist.«
Yossarián glaubte einen Hoffnungsschimmer zu erspähen. »Vielleicht haben Sie recht, Sir«, schlug er vor. »Vielleicht sollte man mich fluguntauglich schreiben und in die Heimat schicken.«
»Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, daß Ihre unablässige Herumschlaferei nichts anderes als der Versuch ist, Ihre unterbewußte Furcht vor der Impotenz zu beschwichtigen?«
»Doch, Sir.«
»Warum fahren Sie denn damit fort?«
»Um meine unterbewußte Furcht vor der Impotenz zu beschwichtigen.«
»Warum legen Sie sich statt dessen nicht ein schönes Hobby zu?«
fragte Stabsarzt Sanderson mit freundlicher Anteilnahme. »Angeln zum Beispiel. Finden Sie Schwester Ducken wirklich so anziehend? Mir will sie eher knochig vorkommen. Eher nach nichts schmeckend und voller Gräten wie ein Fisch.«
»Ich kenne Schwester Ducken kaum.«
»Warum haben Sie sie denn bei der Brust gepackt? Bloß weil sie eine hat?«
»Das war Dunbar.«
»Oh, fangen Sie nicht wieder damit an«, sagte Stabsarzt Sanderson mit ätzendem Spott und schleuderte angeekelt den Bleistift zu Boden. »Glauben Sie denn wirklich, Sie könnten sich von aller Schuld reinwaschen, indem Sie sich
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