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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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einflußreichste Mann im ganzen Kriegsgebiet. Er ist nicht nur Postordonnanz, sondern hat auch Zugang zu einem Vervielfältigungsapparat. Aber er hilft niemandem. Deshalb wird er es auch weit bringen.«
    »Trotzdem möchte ich gerne mit ihm sprechen. Es muß doch irgend jemanden geben, der Ihnen behilflich ist.«
    »Bemühen Sie sich bitte einzig Dunbars wegen, Kaplan«, sagte Yossarián hochnäsig. »Ich habe ja einen herrlichen Heimatschuß, der mich endgültig kampfunfähig gemacht hat. Und falls das noch nicht reichen sollte, so habe ich hier noch einen Psychiater, der glaubt, ich sei fürs Militär nicht gut genug.«
    »Ich bin derjenige, der nicht fürs Militär taugt«, winselte Dunbar eifersüchtig. »Und es war übrigens auch mein Traum.«
    »Es geht hier nicht um den Traum, Dunbar«, erklärte Yossarián.
    »Dein Traum hat ihm gefallen. Es geht um meine Persönlichkeit.
    Die hält er für gespalten.«
    »Schlankweg in der Mitte gespalten, von oben bis unten«, sagte Stabsarzt Sanderson, der seine klobigen Stiefel zur Feier des Tages verschnürt und sein kohlschwarzes Haar mit einer steifenden, duftenden Substanz behandelt hatte. Er lächelte aufdringlich, um einen entgegenkommenden, liebenswürdigen Eindruck zu machen. »Ich sage das nicht, um grausam und beleidigend zu sein«, fuhr er mit grausamer, beleidigender Heiterkeit fort. »Ich sage das nicht, weil ich Sie hasse und mich an Ihnen rächen will. Ich sage das auch nicht, weil Sie mich abgewiesen und tief gekränkt haben. Nein, ich bin ein Mann der Wissenschaft und daher kalt und objektiv. Ich habe schlechte Neuigkeiten für Sie. Sind Sie Manns genug, mich anzuhören?«
    »Mein Gott, nein!« schrie Yossarián. »Ich bekomme sofort einen Nervenzusammenbruch!«
    Stabsarzt Sanderson geriet augenblicks in furchtbaren Zorn.
    »Können Sie denn überhaupt nichts richtig machen?« flehte er, wurde vor Gereiztheit puterrot und ließ beide Hände auf die Tischplatte sausen. »Ihre Krankheit besteht darin, daß Sie sich über die Konventionen unserer Gesellschaft erhaben fühlen. Sie halten sich vermutlich auch für was besseres als mich, bloß weil bei mir die Pubertät verspätet eingesetzt hat. Wollen Sie wissen, was Sie sind? Sie sind ein frustrierter, unglücklicher, enttäuschter, undisziplinierter, schlecht angepaßter junger Mann!« Die Stimmung des Stabsarztes schien sich etwas zu heben, während er diese unhöflichen Eigenschaftswörter herunterrasselte.
    »Jawohl, Sir«, stimmte Yossarián behutsam zu. »Ich fürchte, Sie haben recht.«
    »Selbstredend habe ich recht. Sie sind unreif. Sie sind nicht in der Lage, sich dem Krieg anzupassen.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Sie haben eine krankhafte Abneigung gegen das Sterben. Vermutlich verabscheuen Sie die Tatsache, daß Sie sich im Krieg befinden und jederzeit ins Gras beißen können.«
    »Ich verabscheue diesen Sachverhalt nicht nur, ich empfinde brennenden Haß seinetwegen.«
    »Sie haben eine eingefleischte Gier zu überleben. Sie empfinden Abneigung gegen Frömmler, Großschnauzen, Snobs und Heuchler. Im Unterbewußtsein hassen Sie eine Menge Leute.«
    »Auch bewußt, Sir, auch bewußt«, berichtigte Yossarián, ganz darauf bedacht zu helfen. »Ich hasse sie alle mit vollem Bewußtsein.«
    »Sie wehren sich gegen die Vorstellung, ausgebeutet, beraubt, erniedrigt, beleidigt und getäuscht zu werden. Folgende Faktoren wirken auf sie deprimierend: Elend, Unwissenheit, Verfolgung, Gewalttätigkeit, Mietskasernen, Geldgier, Verbrechen, Korruption. Ich wäre nicht überrascht, wenn Sie sich als ein manisch depressiver Typ entpuppten.«
    »Jawohl, Sir, vielleicht bin ich das.«
    »Versuchen Sie nicht, das abzustreiten.«
    »Ich streite es gar nicht ab«, sagte Yossarián, erfreut darüber, daß endlich die Verbindung zwischen ihnen hergestellt war. »Ich stimme jedem Ihrer Worte bei.«
    »Sie geben also zu, daß Sie geisteskrank sind?«
    »Geisteskrank?« Yossarián war schockiert. »Wovon reden Sie?
    Warum soll ich geisteskrank sein? Wenn einer geisteskrank ist, dann doch Sie!«
    Stabsarzt Sanderson wurde wieder rot vor Entrüstung und knallte beide Hände auf die Schenkel. »Mich geisteskrank zu nennen!«
    brüllte er stotternd vor Wut, »ist eine typisch sadistische, rachsüchtige, paranoide Reaktion! Sie sind wirklich verrückt!«
    »Warum schicken Sie mich dann nicht nach Haus?«
    »Und ich werde Sie nach Hause schicken!«
    »Sie schicken mich nach Hause!« verkündete Yossarián jubelnd, als er auf die

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