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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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bestimmten Ziel zustrebten. Er blickte nach der steinigen Küste von Elba hinüber, und unwillkürlich suchten seine Augen am Himmel die aufgeplusterte, weiße, rübenförmige Wolke, in der Clevinger verschwunden war. Er blinzelte zum dunstigen italienischen Festland hinüber und dachte an Orr. Clevinger und Orr.
    Wo mochten sie nur sein? Vor langer Zeit hatte Yossarián einmal bei Sonnenaufgang auf einer Mole gestanden und zugesehen, wie die Flut einen bemoosten, runden Baumstamm zu ihm herantrieb, der sich unerwartet drehte und das aufgedunsene Gesicht eines Ertrunkenen sehen ließ. Das war der erste Tote, der ihm je vor Augen gekommen war. Yossarián sah jeden treibenden Gegenstand angstvoll daraufhin an, ob er Nachricht von Clevinger und Orr brächte, und er war auf den schlimmsten Schrecken gefaßt, nicht jedoch auf den Schrecken, den McWatt ihm eines Tages mit jenem Flugzeug einjagte, das aus der stillen Ferne plötzlich donnernd ins Blickfeld schoß, unbarmherzig hämmernd und brüllend über den Strand und das auf und ab tanzende Badefloß hinwegjagte, auf dem der bleiche, blonde Kid Sampson, dem man seine Magerkeit selbst auf diese Entfernung ansehen konnte, wie ein Clown gerade in jenem Augenblick hochsprang, um neckisch nach der Maschine zu langen, in dem ein Windstoß oder ein winziges Versehen McWatts die dahinrasende Maschine so weit durchsacken ließ, daß einer ihrer Propeller Kid Sampson mittendurch schneiden konnte.
    Selbst diejenigen, die nicht anwesend waren, erinnerten sich später genau dessen, was darauf folgte. Durch den wilden, umwerfenden Lärm der Motoren hörte man ganz deutlich das denkbar kürzeste, sanfteste »Ssst«, und dann waren da nur noch Kid Sampsons bleiche, spirrlige Beine, irgendwie an den blutigen, verstümmelten Hüften befestigt, und standen, wie es schien, mindestens eine ganze Minute lang stocksteif auf dem Floß, ehe sie schließlich mit leise widerhallendem Plantschen, nach rückwärts abkippend, ins Wasser fielen und nur noch den grotesken Anblick von Kid Sampsons Zehen und kalkweißen Fußsohlen boten.
    Am Strand brach die Hölle los. Schwester Gramer erschien plötzlich aus dem Nichts und weinte hysterisch an Yossariáns Brust, und Yossarián zog sie an sich und beschwichtigte sie. In seinem anderen Arm hielt er Schwester Duckett, deren längliches, eckiges, tödlichblasses Gesicht ebenfalls schluchzend und bebend an seiner Brust lag. Wer am Strand war, rannte kreischend umher, und die Männer kreischten geradeso wie die Weiber. Sie rafften in blankem Entsetzen ihre Sachen zusammen, bückten sich hastig und musterten mißtrauisch jede sanfte, kniehohe Welle, die auf den Sand lief, als könnte sie irgendein häßliches, rotes Organ mitführen, eine Lunge etwa oder eine Leber. Wer im Wasser war, strebte aus Leibeskräften dem Lande zu, vergaß in der Eile zu schwimmen und kämpfte jammernd gegen das heimtückische, saugende Meer, das die Flucht hinderte wie ein starker Gegenwind. Kid Sampson war im weiten Umkreis heruntergeregnet.
    Wer Tröpfchen von ihm auf Armen oder Brust entdeckte, zuckte angeekelt und entsetzt zurück, als widere ihn die eigene Haut an. Alle stürmten mit ungeschickten, schwerfälligen Schritten davon und erfüllten den schattigen, rauschenden Wald mit verzagten Seufzern und Klagelauten. Yossarián trieb ungestüm die stolpernden, taumelnden Frauen vor sich her, er schob und stieß und rannte fluchend zurück, um Hungry Joe zu helfen, der über eine Decke oder das Futteral seiner Kamera gestolpert und mit der Nase in den schlammigen Bach gefallen war.
    Bei der Staffel wußten schon alle Bescheid. Auch hier rannten uniformierte Männer kreischend umher oder standen erstarrt vor Ehrfurcht wie Sergeant Knight und Doc Daneeka, die mit feierlichen Gesichtern zu dem schuldbeladenen, unglücklichen Flugzeug hinaufsahen, das mit McWatt am Steuerknüppel mählich steigend seine Bahn zog.
    »Wer ist da drin?« rief Yossarián ängstlich Doc Daneeka zu, als er atemlos heranhumpelte. In seinen umdüsterten Augen flackerte hektische Angst. »Wer ist drin in der Kiste?«
    »McWatt«, sagte Sergeant Knight. »Er hat die beiden neuen Piloten zu einem Übungsflug mitgenommen. Doc Daneeka ist auch da oben.«
    »Ich bin hier, hier!« behauptete Doc Daneeka in einem merkwürdig beunruhigten Ton und warf dem Sergeanten angstvolle Blicke zu.
    »Warum kommt er nicht herunter?« rief Yossarián verzweifelt, »warum steigt er nur immer höher?«
    »Wahrscheinlich hat er

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