Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
Vom Netzwerk:
jedenfalls bald. Aarfys üppige Schlampe war mitsamt ihrem unzüchtigen Ring verschwunden, und Schwester Duckett schämte sich seiner, weil er sich weigerte, weitere Einsätze zu fliegen, und nicht davor zurückschreckte, einen Skandal zu verursachen. Das einzige Mädchen, das er in der Nähe kannte, war die unansehnliche Magd in der Offizierswohnung, mit der nie einer ins Bett gegangen war.
    Sie hieß Michaela, doch belegte man sie mit sanfter, einschmeichelnder Stimme mit den schweinischsten Bezeichnungen, worauf sie kindisch erfreut kicherte, denn sie verstand kein Englisch und hielt diese Anreden für schmeichelhafte, harmlose Scherze. Je toller sie es trieben, desto entzückter zeigte sich die Magd. Sie war ein glücklich veranlagtes, einfältiges, fleißiges Mädchen, das nicht lesen und kaum seinen Namen schreiben konnte. Ihr strähniges Haar hatte die Farbe von Flachsstroh. Ihre Haut war teigig, die Augen kurzsichtig, und keiner der Männer hatte je mit ihr geschlafen, weil keiner der Männer je Lust dazu gehabt hatte, keiner außer Aarfy, der sie an diesem Abend vergewaltigt und für länger als zwei Stunden in den Kleiderschrank gesperrt hatte.
    Dann hielt er ihr die Hand auf den Mund, bis die Sirenen anzeigten, daß die Sperrstunde für Zivilisten begonnen hatte und die Magd nicht mehr auf der Straße sein durfte.
    Dann warf er sie aus dem Fenster. Ihre Leiche lag noch auf dem Pflaster, als Yossarián eintraf, sich höflich durch die betroffenen, mit schwach brennenden Laternen herumstehenden Nachbarn drängte, die ihn giftig ansahen, sich von ihm zurückzogen und in ihren dumpf erbitterten Privatgesprächen immer wieder zu den Fenstern im ersten Stock hinaufwiesen. Yossariáns Herz klopfte vor Angst und Schrecken bei dem Mitleid erregenden, blutig bedrohlichen Anblick des Leichnams. Er schlüpfte in den Hausflur und rannte die Treppen zur Wohnung hinauf, wo er Aarfy traf, der etwas bedrückt auf und ab ging, und dabei herablassend und zugleich ein wenig befangen lächelte. Aarfy machte einen etwas unsteten Eindruck, während er an seiner Pfeife herumhantierte und Yossarián versicherte, daß schon alles in Ordnung kommen werde. Kein Grund, sich Sorgen zu machen.
    »Ich habe sie nur einmal vergewaltigt«, erläuterte er. Yossarián war entsetzt. »Aber du hast sie umgebracht, Aarfy! Du hast sie ermordet!«
    »Oh, das mußte ich schon, nachdem ich sie vergewaltigt hatte«, erwiderte Aarfy in seinem herablassenden Ton. »Schließlich konnte ich nicht zulassen, daß sie umhergeht und schlecht von uns redet.«
    »Warum hast du sie aber überhaupt angefaßt, du blödes Aas!«
    schrie Yossarián. »Warum hast du dir nicht ein Mädchen von der Straße geholt, wenn du eine wolltest? Es wimmelt in der Stadt von Prostituierten.«
    »O nein, ich nicht«, prahlte Aarfy. »Ich habe noch nie dafür bezahlt.«
    »Bist du denn übergeschnappt, Aarfy?« Yossarián war beinahe sprachlos. »Du hast ein Mädchen ermordet. Man wird dich dafür einsperren!«
    »O nein«, erwiderte Aarfy und zwang sich zu einem Lächeln.
    »Mich nicht. Man wird doch den guten alten Aarfy nicht einsperren, bloß weil er die da umgebracht hat.«
    »Aber du hast sie aus dem Fenster geworfen. Sie liegt tot auf der Straße.«
    »Sie darf gar nicht auf der Straße sein«, erwiderte Aarfy. »Die Sperrstunde hat schon begonnen.«
    »Du Rindvieh! Begreifst du überhaupt nicht, was du da gemacht hast?«Yossarián wollte Aarfy an den gut gepolsterten, raupenweichen Schultern packen und ihn schütteln, bis er zur Vernunft käme. »Du hast einen Menschen ermordet. Du wirst eingesperrt, vielleicht sogar gehängt werden!«
    »Oh, ich glaube kaum, daß man soweit gehen wird«, erwiderte Aarfy gutmütig kichernd, obwohl gleichzeitig seine Nervosität zunahm. Er verstreute unabsichtlich Tabakkrümel, während er mit seinen kurzen Fingern am Kopf der Pfeife hantierte. »Nein, mein Junge. Nicht den guten alten Aarfy.« Er lachte wieder.
    »Schließlich war sie nur ein Dienstmädchen. Ich glaube kaum, daß man ein großes Geschrei wegen eines armen italienischen Dienstmädchens erheben wird, während täglich Tausende von Menschen sterben müssen.«
    »Horch!« rief Yossarián beinahe freudig. Er spitzte die Ohren und sah, wie das Blut aus Aarfys Gesicht wich, während in der Ferne Sirenen zu heulen begannen, Polizeisirenen, die sich fast augenblicklich zu einer jaulenden, schneidenden, andrängenden Kakophonie übermächtigen Lärms steigerten, der sich von allen

Weitere Kostenlose Bücher