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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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Geräusch hinter sich gelassen hatte. Er wußte jetzt, wo er war.
    Wenn er geradeaus ginge, würde er zu dem vertrockneten Brunnen in der Mitte des Boulevards gelangen, und von da zu der sieben Häuserblöcke entfernten Offizierswohnung. Plötzlich vernahm er knurrende, unmenschliche Laute in der geisterhaften Schwärze vor sich. Die Laterne auf dem Pfahl an der Ecke war verglommen, sie tauchte die Hälfte der Straße in Dunkelheit und brachte alles Sichtbare aus dem Gleichgewicht. Auf der anderen Seite der Kreuzung schlug ein Mann mit einem Knüppel auf einen Hund ein, gleich dem Mann, der in Raskolnikows Traum das Pferd mit der Peitsche schlägt. Yossarián mühte sich, nichts zu sehen oder zu hören. Der Hund winselte und wimmerte in tierischer, ratloser Angst am Ende eines alten Stricks, er kroch folgsam auf dem Bauch, was den Mann aber nicht hinderte, ihn wieder und wieder mit einem schweren Stock zu schlagen. Eine kleine Volksmenge sah ihm dabei zu. Eine vierschrötige Frau trat vor und bat ihn, doch bitte aufzuhören. »Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten«, kläffte der Mann rauh und hob den Stock, als wolle er auf sie einschlagen. Die Frau zog sich verlegen mit demütiger, kriecherischer Miene zurück. Yossarián beschleunigte den Schritt, um diesem Anblick zu entgehen, er rannte beinahe. Die Nacht war voll von Schrecken, und er glaubte zu wissen, wie Christus sich vorgekommen sein mußte, als er auf Erden wandelte: wie ein Psychiater in einer Station von Verrückten, wie ein Opfer in einem Gefängnis voller Räuber. Wie willkommen mußte ihm der Anblick eines Aussätzigen gewesen sein! An der nächsten Ecke umstanden zahlreiche erwachsene Zuschauer einen Mann, der brutal auf einen kleinen Jungen losschlug, ohne daß einer von ihnen sich die Mühe machte, einzuschreiten. Yossarián wich zurück, von Übelkeit erregendem Wiedererkennen gepackt. Er glaubte fest, den gleichen schrecklichen Auftritt schon einmal gesehen zu haben. Dejä vu? Das unheimliche Zusammentreffen erschütterte ihn, erfüllte ihn mit Zweifeln und Furcht. Es war der gleiche Auftritt, den er einen Häuserblock zuvor gesehen hatte, wenn hier auch alles ganz anders zu sein schien. Was, um des Himmels willen, ging eigentlich vor? Würde jetzt eine vierschrötige Frau vortreten und den Mann auffordern, doch bitte aufzuhören? Würde er die Hand gegen sie heben, und würde sie zurückweichen? Keiner regte sich.
    Das Kind weinte unaufhörlich, wie von seinem Elend betäubt.
    Der Mann versetzte ihm immer wieder schwere, knallende Schläge mit der offenen Hand gegen den Kopf, bis das Kind hinfiel, und riß es dann wieder hoch, um es von neuem niederzuschlagen. Keiner in der verstockten, feigen Menge schien genug Mitleid mit dem hilflosen, geschlagenen Jungen zu empfinden, um einzugreifen. Das Kind war höchstens neun Jahre alt. Eine schlampige Frau weinte still in ein schmutziges Geschirrtuch. Der Junge war unterernährt und benötigte einen Haarschnitt. Aus beiden Ohren lief hellrotes Blut. Yossarián überquerte hastig den breiten Boulevard, um dem ekelerregenden Anblick zu entfliehen, und merkte, daß er auf menschliche Zähne trat, die auf dem nassen, spiegelnden Pflaster neben Blutflecken lagen, die noch feucht und klebrig waren, weil fette Regentropfen wie mit scharfen Fingernägeln immer wieder nach ihnen griffen. Backenzähne und zersplitterte Schneidezähne lagen überall umher. Er umschritt auf Zehenspitzen diese grausigen Überbleibsel und näherte sich einem Hauseingang, in dem ein weinender Soldat sein blutgetränktes Taschentuch gegen den Mund hielt, während zwei andere Soldaten den Zusammensinkenden stützten und alle drei ernst und ungeduldig den Sanitätswagen erwarteten, der schließlich mit brennenden Nebelscheinwerfern angeklingelt kam, aber vorüberfuhr, um sich einen Häuserblock entfernt der Auseinandersetzungen zwischen einem einzelnen, Bücher tragenden italienischen Zivilisten und einer Rotte von Polizisten mit Handfesseln und Gummiknüppeln zuzuwenden. Der schreiend um sich schlagende Zivilist war ein brünetter Mensch, dessen Gesicht vor Angst weiß war wie Mehl. Seine Augenlider zuckten hektisch und verzweifelt wie die Flügel einer Fledermaus, als die vielen großen Polizisten ihn an Armen und Beinen packten und aufhoben. Seine Bücher fielen zu Boden. »Hilfe!« kreischte er schrill mit einer Stimme, die von ihrer eigenen Emotion erstickt wurde, während die Polizisten ihn zur offenen Hintertür der

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