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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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waren und sich nie bewegten.
    In die Bandagen waren an beiden Ellenbogenbeugen mit Reißverschlüssen versehene Schlitze eingeschnitten, durch die man aus einem durchsichtigen Gefäß eine durchsichtige Flüssigkeit in ihn hineinfüllte. Ein stummes Zinkrohr stak in dem Gips auf seinem Bauch und war mit einem dünnen Gummischlauch verbunden, durch den die Abfallprodukte seiner Nieren flössen und sachgemäß in ein durchsichtiges, verstöpseltes Gefäß auf dem Fußboden abgeführt wurden. War das Gefäß auf dem Fußboden voll, so hatte sich jenes, das die Flüssigkeit in seine Ellenbogenbeugen entließ, geleert, und beide Behälter wurden rasch vertauscht, damit die Flüssigkeit wieder in ihn hineintropfen konnte. Das einzige, was man wirklich jemals von dem Soldaten in Weiß zu sehen bekam, war eine ausgefranste schwarze Öffnung über dem Mund.
    Der Soldat in Weiß war neben den Texaner gelegt worden, .und der Texaner saß seitlich auf seinem eigenen Bett und sprach morgens, nachmittags und abends in freundlichem, teilnehmend gedehntem Tonfall unermüdlich auf seinen Nachbarn ein. Es machte dem Texaner gar nichts aus, daß er niemals eine Antwort bekam.
    Zwei Mal am Tag wurde die Temperatur der Patienten gemessen. Früh am Morgen und spät am Nachmittag erschien Schwester Gramer mit einem Behälter voller Thermometer, ging auf der einen Seite des Ganges hinauf und auf der anderen Seite wieder herunter, und teilte jedem Patienten ein Thermometer zu.
    Dem Soldaten in Weiß legte sie ein Thermometer auf die Öffnung über seinem Mund. Wenn sie zu dem Mann im ersten Bett zurückkehrte, nahm sie sein Thermometer und verzeichnete seine Temperatur, dann ging sie zum nächsten Bett und machte so wieder die Runde. Eines Nachmittags, als sie die erste Runde beendet hatte und das zweite Mal zu dem Soldaten in Weiß trat, las sie sein Thermometer ab und stellte fest, daß er tot war.
    »Mörder«, sagte Dunbar leise.
    Der Texaner sah ihn mit Ungewissem Grinsen an.
    »Totschläger«, versetzte Yossarián.
    »Wovon redet ihr denn, Leute?« fragte der Texaner nervös.
    »Du hast ihn umgebracht«, sagte Dunbar.
    »Du hast ihn ermordet«, bestätigte Yossarián.
    Der Texaner wich zurück. »Ihr seid ja verrückt, Leute, ich hab ihn nicht mal angerührt.« »Du hast ihn ermordet«, sagte Dunbar.
    »Ich habe gehört, wie du ihn umgebracht hast«, sagte Yossarián.
    »Du hast ihn umgebracht, weil er ein Neger war«, sagte Dunbar.
    »Ihr seid ja verrückt, Leute!« rief der Texaner. »Hier dürfen überhaupt keine Neger rein. Für Neger haben sie eine besondere Abteilung.«
    »Der Sergeant hat ihn eingeschmuggelt«, sagte Dunbar.
    »Der Rote Sergeant«, sagte Yossarián.
    »Und du hast es gewußt.«
    Der Deckoffizier links von Yossarián blieb von dem Vorfall mit dem Soldaten in Weiß ganz und gar unbeeindruckt. Der Deckoffizier war überhaupt immer unbeeindruckt und sprach niemals, es sei denn, um zu mäkeln.
    Einen Tag, ehe Yossarián den Kaplan kennenlernte, explodierte ein Benzinherd im Speiseraum und setzte eine Seite der Küche in Brand. Die Glutwelle verbreitete sich nach allen Seiten. Selbst in Yossariáns Station, die beinahe hundert Meter entfernt war, konnte man das Brüllen der Flammen und das scharfe Knacken brennenden Holzes vernehmen. Rauch wirbelte an den orangerot gefärbten Fenstern vorüber. Nach etwa fünfzehn Minuten erschienen die Löschzüge vom Flugplatz, um den Brand zu bekämpfen. Eine aufregende halbe Stunde lang hing alles an einem Faden. Dann bekam die Feuerwehr die Oberhand. Plötzlich hörte man das bekannte, eintönige Dröhnen der von der Front zurückkehrenden Bomber, und die Feuerwehr mußte die Schläuche aufrollen und blitzschnell zum Flugplatz zurückfahren, um bei der Hand zu sein, falls eines der Flugzeuge eine Bruchlandung machte und Feuer fing. Die Flugzeuge landeten ohne Zwischenfall.
    Kaum war das letzte auf der Erde, als die Feuerwehren ihre Löschzüge herumrissen und wieder den Berg hinauf rasten, um den Kampf mit dem Brand im Lazarett von neuem aufzunehmen.
    Als sie anlangten, war das Feuer aus. Es war von selbst ausgegangen, war so völlig erloschen, daß nicht einmal ein Glutfünkchen begossen zu werden brauchte, und die enttäuschten Feuerwehrleute konnten nichts weiter tun als lauwarmen Kaffee trinken, sich herumdrücken und versuchen, die Krankenschwestern umzulegen.
    Der Kaplan kam am Tag nach dem Brand. Yossarián war eifrig damit beschäftigt, alles außer Liebesworten aus den

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