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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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nicht angekommen war. Und schon zwei Stunden darauf hatten alle diese Sachen nach Tod gerochen, hatten so nach Tod gerochen, wie alles und jedes nach Tod roch, als der muffige Geruch der Sterblichkeit zugleich mit dem schwefligen Nebel in der Luft hing und jeden zeichnete, der fliegen mußte.
    Vor dem Flug nach Bologna gab es kein Entrinnen, nachdem Colonel Cathcart sein Geschwader freiwillig für die Zerstörung der dortigen Munitionslager zur Verfügung gestellt hatte, die zu zerstören den schweren, auf dem italienischen Festland stationierten Bombern aus ihrer größeren Höhe nicht gelungen war.
    Jeder Tag des Aufschubes vertiefte das Bewußtsein des Unheils, vertiefte die Untergangsstimmung. Die nicht abzuschüttelnde Überzeugung, sterben zu müssen, durchtränkte alles wie der nicht endende Regen, zerweichte die gepeinigten Gesichter und breitete sich darauf aus wie ein heimtückischer, fressender Brand.
    Alle rochen nach Formaldehyd. Man konnte sich nirgendwohin um Hilfe wenden, nicht einmal zum Krankenzelt, dessen Schließung Colonel Korn befohlen hatte, damit niemand sich krank melden könne, wie es eines schönen Tages geschehen war, als eine geheimnisvolle Durchfallepidemie noch einen Aufschub erfordert hatte. Da es keine Neukranken zu untersuchen gab und das Krankenzelt geschlossen war, verbrachte Doc Daneeka die Pausen zwischen den Regenfällen auf seinem hohen Hocker.
    Schweigend, sorgenvoll und unbeteiligt nahm er den Ausbruch bleicher Angst zur Kenntnis, während er wie ein melancholischer Geier unter dem bedrohlichen, handgemalten Plakat kauerte, das Captain Black, der das für einen Witz hielt, über dem Eingang zum Krankenzelt befestigt hatte und das Doc Daneeka hängen ließ, weil er es nicht für einen Witz hielt. Das Plakat zeigte einen schwarzen Rand und die Aufschrift: »Bis auf weiteres geschlossen. Todesfall in der Familie.«
    Die Angst war überall, auch in Dunbars Staffel, und Dunbar steckte in der Dämmerung seinen Kopf fragend durch den Eingang des Krankenzeltes und redete respektvoll den verschwommenen Umriß von Dr. Stubbs an, der im Halbdunkel saß und eine Flasche Whisky samt einem Destillierkolben voll gereinigten Trinkwassers vor sich hatte.
    »Geht es Ihnen gut?« fragte er besorgt.
    »Gräßlich«, erwiderte Dr. Stubbs, »Was machen Sie hier?«
    »Ich sitze.«
    »Ich dachte, niemand darf sich krank melden.«
    »Das darf auch keiner.«
    »Warum sitzen Sie dann hier?«
    »Wo sonst? Vielleicht in dem verfluchten Kasino mit Colonel Cathcart und Colonel Korn? Können Sie mir vielleicht sagen, was ich hier mache?«
    »Sie sitzen.«
    »Ich meine in der Staffel, nicht im Zelt. Reden Sie nicht so naseweis daher. Können Sie sich vorstellen, was ein Arzt in unserer Staffel zu suchen hat?«
    »In den anderen Staffeln haben sie die Krankenzelte einfach geschlossen«, bemerkte Dunbar.
    »Wenn jemand hier hereinkommt, der wirklich krank ist, dann schreibe ich ihn fluguntauglich«, schwor Dr. Stubbs. »Es ist mir egal, was die da oben sagen.«
    »Sie dürfen niemanden fluguntauglich schreiben«, erinnerte ihn Dunbar. »Sie kennen doch den Befehl!«
    »Wenn ein Kranker kommt, kriegt er eine Injektion, von der er umfällt. Dann ist er wirklich fluguntauglich.« Dr. Stubbs lachte höhnisch bei dieser Aussicht. »Die glauben, daß die Kranken auf Befehl gesund werden. Diese Schweine. Na, da fängt es ja wieder an.« Der Regen begann wieder zu tropfen, erst in den Bäumen, dann in den Pfützen, und dann trommelte er schließlich sachte und beschwichtigend auf das Zeltdach. »Alles ist naß«, bemerkte Dr. Stubbs angewidert. »Auch die Latrinen und die Pissoirs kotzen vor Wut alles wieder aus. Die ganze verfluchte Welt stinkt wie ein Schlachthaus.«
    Als er zu sprechen aufhörte, wirkte die Stille bodenlos. Die Nacht fiel ein. Im Zelt verbreitete sich ein Gefühl des Abgesondertseins.
    »Machen Sie doch Licht«, schlug Dunbar vor.
    »Es gibt kein Licht. Ich habe keine Lust, meinen Generator laufen zu lassen. Früher hat es mir einen unerhörten Auftrieb gegeben, wenn ich jemandem das Leben erhalten konnte. Jetzt frage ich mich, welchen Sinn das noch hat, da sie doch alle sterben müssen.«
    »Oh, es hat schon einen Sinn«, versicherte Dunbar.
    »So? Und welchen?«
    »Es handelt sich darum, sie solange als möglich vor dem Tod zu bewahren.«
    »Ja, aber warum, da sie doch alle sterben müssen?«
    »Der Kniff besteht darin, nicht daran zu denken.«
    »Der Kniff interessiert mich nicht. Worin liegt

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