Catch 22
der Sinn?«
Dunbar dachte schweigend eine Weile nach.
»Wer weiß das schon?«
Dunbar wußte es nicht. Bologna hätte Dunbar in Jubel ausbrechen lassen müssen, denn die Minuten schlichen, und die Stunden schleppten sich hin wie Jahrhunderte. Statt dessen peinigte ihn das, denn er wußte, daß er fallen würde.
»Wollen Sie wirklich noch mehr Codein?« fragte Dr. Stubbs.
»Ich brauche es für meinen Freund Yossarián. Er ist davon überzeugt, daß er abgeschossen wird.«
»Yossarián? Wer zum Kuckuck ist Yossarián? Was zum Teufel ist das überhaupt für ein Name, Yossarián? Ist das nicht der Kerl, der sich neulich im Kasino betrunken und mit Colonel Korn geprügelt hat?«
»Richtig. Er ist ein Assyrer.«
»Ein Verrückter ist er!«
»So verrückt ist er nicht«, widersprach Dunbar. »Er schwört, daß er nicht mitfliegen will nach Bologna.«
»Das meine ich ja gerade«, erwiderte Dr. Stubbs. »Dieser verrückte Hund ist vielleicht der einzige, der noch nicht den Verstand verloren hat.«
Captain Black
Korporal Kolodny hörte davon durch einen Anruf vom Geschwader und war von der Neuigkeit so erschüttert, daß er das Zelt auf Zehenspitzen durchquerte und Captain Black flüsternd Meldung machte. Captain Black döste in seinem Drehstuhl, die Säbelbeine auf dem Tisch.
Captain Black erheiterte sich augenblicklich. »Bologna?« rief er entzückt. »Da soll mich doch der Teufel holen.« Er schlug eine grelle Lache auf. »So? Bologna?« er lachte von neuem und schüttelte angenehm überrascht den Kopf. »Au wei! Ich kann es gar nicht abwarten, die Gesichter dieser Armleuchter zu sehen, wenn sie erfahren, daß es nach Bologna geht. Hahaha!«
Zum ersten Mal seit Major Major ihm eins ausgewischt hatte und Geschwaderkommandeur geworden war, lachte Captain Black so recht von Herzen. Er erhob sich freudig, wenn auch noch etwas verschlafen von seinem Stuhl und stellte sich nahe an den Tisch, um nichts von dem Spaß zu versäumen, der beginnen mußte, sobald sich die Bombenschützen zum Empfang der neuen Luftkarten einstellten.
»Ganz recht, ihr Armleuchter, Bologna«, wiederholte er immer wieder, wenn die Bombenschützen ungläubig fragten, ob wirklich Bologna das Ziel sein sollte. »Hahaha! Jetzt könnt ihr Gallensteine spucken, ihr Armleuchter. Diesmal geht es euch wirklich an den Kragen!«
Captain Black trat hinter dem letzten Bombenschützen aus dem Zelt, um genüßlich die Wirkung zu beobachten, welche die Neuigkeit auf den Gesichtern der Offiziere und Mannschaften hervorbrachte, die sich in der Mitte des Staffelbereiches mit Helmen, Fallschirmen und Flakanzügen um vier Lastwagen versammelt hatten. Captain Black war ein langer, dünner, trübe dreinblickender Mensch, der sich lustlos und mürrisch durch die Gegend bewegte. Alle drei oder vier Tage rasierte er sein spitzes, bleiches Gesicht, und meistens sah er so aus, als ließe er sich einen rötlichen Schnurrbart stehen. Der Auftritt hier draußen enttäuschte ihn nicht. Bestürzung verfinsterte alle Gesichter. Captain Black gähnte wonnevoll, rieb sich die Müdigkeit aus den Augen und erteilte schadenfroh lachend jedem, der zuhören wollte, den Rat, Gallensteine zu spucken.
Bologna erwies sich im Leben von Captain Black als das ergiebigste Ereignis seit dem Tode Major Duluths über Perugia, der Captain Black beinahe zum Staffelkommandeur gemacht hatte.
Als die Nachricht vom Tode Major Duluths über Funk beim Flugplatz eintraf, empfand Captain Black aufrichtige Freude. Obwohl er nie zuvor ernstlich diese Möglichkeit erwogen hatte, begriff Captain Black sogleich, daß logischerweise er der Mann war, nach Major Duluth die Staffel zu übernehmen. Erstens einmal war er der Abwehroffizier, was bewies, daß er intelligenter sein mußte als alle anderen. Es stimmte zwar, daß er gar nicht zum fliegenden Personal gehörte wie Major Duluth und hergebrachterweise alle Staffelkommandeure, doch war dies, genau besehen, ein weiterer Umstand zu seinen Gunsten, da sein Leben nicht gefährdet war, er also diesen Posten ausfüllen konnte, solange das Vaterland seiner bedurfte. Je länger Captain Black darüber nachdachte, desto sicherer schien die Sache zu sein. Es kam jetzt nur darauf an, möglichst schnell am rechten Ort das rechte Wort fallen zu lassen. Er eilte in sein Büro, um sich einen Feldzugsplan zurechtzulegen. Nachdem er sich bequem in seinen Sessel gesetzt, die Füße auf den Tisch gelegt und die Augen zugemacht hatte, fing er an, sich auszumalen, wie
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