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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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er könne nun hineingehen wenn er wolle, da Major Major gerade hinausgegangen sei. Applebys Selbstvertrauen kehrte zurück.
    »Danke, Sergeant. Wird er bald zurück sein?«
    »Gleich nach dem Mittagessen. Sie müssen das Zelt dann sofort verlassen und draußen warten, bis er zum Abendessen weggeht.
    Wenn Major Major in seinem Büro ist, empfängt er grundsätzlich niemanden in seinem Büro.«
    »Was sagen Sie da, Sergeant?«
    »Ich sagte, daß Major Major niemanden in seinem Büro empfängt, wenn er im Büro ist.«
    Appleby starrte den Sergeanten Towser an und versuchte, dienstlich zu werden. »Sergeant, wollen Sie mich etwa zum Narren halten, weil ich neu im Geschwader bin?«
    »O nein, Sir«, versicherte der Sergeant ehrerbietig. »So lautet die Anordnung des Kommandeurs. Sie können Major Major fragen, wenn Sie ihn sprechen.«
    »Genau das werde ich tun, Sergeant. Wann kann ich ihn sprechen?«
    »Niemals.«
    Appleby errötete unter dieser Demütigung und schrieb seine Meldung bezüglich Yossariáns und der Atebrintabletten auf einen Block, den der Sergeant ihm vorlegte. Dann ging er schnell hinaus, wobei er sich fragte, ob vielleicht Yossarián nicht der einzige Verrückte sei, der das Vorrecht hatte, Offiziersuniform zu tragen.
    Als Colonel Cathcart dann die Anzahl der geforderten Feindflüge auf fünfundfünfzig erhöht hatte, war Sergeant Towser der Verdacht gekommen, daß möglicherweise jeder, der eine Uniform trug, verrückt sei. Sergeant Towser war ein magerer, eckiger Mensch. Sein feines, blondes Haar war so hell, daß es fast farblos wirkte, seine Wangen waren eingesunken, die Zähne groß und weiß wie Pfefferminzbonbons. Er erledigte die gesamte Verwaltungsarbeit der Staffel und war dabei nicht glücklich. Männer wie Hungry Joe funkelten ihn haßerfüllt und vorwurfsvoll an, und Appleby behandelte ihn mit rachsüchtiger Unhöflichkeit, seitdem er sich als ein erstklassiger Pilot etabliert hatte und als ein Tischtennisspieler, der nie einen Punkt verlor. Sergeant Towser tat alle Verwaltungsarbeit, weil sonst niemand dazu imstande war. Krieg und Beförderung interessierten ihn überhaupt nicht. Ihn interessierten einzig Käfer und Hepplewhite-Möbel.
    Fast ohne es zu merken, hatte Sergeant Towser sich angewöhnt, an den toten Mann in Yossariáns Zelt genauso zu denken wie Yossarián — nämlich als an den toten Mann in Yossariáns Zelt.
    In Wirklichkeit war er nichts dergleichen. Er war ein Ersatzpilot, der abgeschossen worden war, noch ehe er sich offiziell zum Geschwader versetzt melden konnte. Er hatte sich bei der Flugleitung nach dem Weg zur Schreibstube erkundigt und war direkt in ein Flugzeug verwiesen worden, weil so viele Männer die damals notwendigen fünfunddreißig Feindflüge hinter sich hatten, daß Captain Piltchard und Captain Wren nur mit Mühe die vom Geschwader angeforderten Besatzungen zusammenstellen konnten. Da er offiziell niemals der Staffel angehört hatte, konnte man ihn offiziell auch nicht loswerden, und Sergeant Towser ahnte, daß die sich unaufhörlich vermehrenden, auf den armen Menschen Bezug habenden Schriftstücke nie aufhören würden, zwischen den Schreibstuben hin und her zu flattern.
    Der Mann hatte Mudd geheißen. Sergeant Towser, der Gewaltanwendung und Verschwendung mit gleich starker Abneigung betrachtete, sah eine unerträgliche Torheit darin, Mudd den ganzen Weg über den Ozean herzufliegen, nur um ihn keine zwei Stunden nach seiner Ankunft über Orvieto in Klumpen schießen zu lassen. Niemand wußte, wer er war oder wie er ausgesehen hatte, schon gar nicht Captain Piltchard und Captain Wren, die sich nur daran erinnerten, daß ein neuer Offizier sich gerade rechtzeitig zum Sterben bei der Flugleitung gemeldet hatte, und die immer, wenn der tote Mann in Yossariáns Zelt erwähnt wurde, verlegen erröteten. Die einzigen, die Mudd mit Bewußtsein gesehen haben mochten, nämlich die Männer, die mit ihm in der gleichen Maschine gesessen hatten, waren alle mit ihm umgekommen.
    Yossarián hingegen wußte genau, wer Mudd war. Mudd war der unbekannte Soldat, der nie eine Chance gehabt hatte. Denn das war das einzige, was man über die unbekannten Soldaten wußte — sie hatten nie eine Chance gehabt. Und tot mußten sie sein. Dieser Tote war wirklich unbekannt, obwohl seine Sachen immer noch in wirrem Durcheinander auf dem Feldbett in Yossariáns Zelt lagen, fast in dem gleichen Zustand, in dem er sie drei Monate zuvor dort abgelegt hatte, an dem Tag, an dem er

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