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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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haben unsere Pflichten. Meine Pflicht ist es zum Beispiel, diese Feuerzeuge mit Profit abzusetzen und dafür Baumwolle von Milo zu kaufen. Ihre Pflicht ist es, die Munitionslager bei Bologna zu bombardieren.«
    »Aber man wird mich über Bologna abschießen«, stellte Yossarián ihm vor. »Wir werden allesamt abgeschossen werden.«
    »Nun, dann werden Sie eben abgeschossen«, erwiderte der Exgefreite Wintergreen. »Warum können Sie das nicht ebenso gefaßt hinnehmen wie ich? Wenn es mir bestimmt ist, diese Feuerzeuge mit Profit abzusetzen und dafür billige Baumwolle von Milo zu kaufen, so werde ich das eben tun. Und wenn es Ihnen bestimmt ist, über Bologna abgeschossen zu werden, dann werden Sie eben abgeschossen. Also, seien Sie ein Mann, und lassen Sie sich abschießen. Ich sage das zwar nicht gerne, Yossarián, aber Sie entwickeln sich allmählich zu einem chronischen Nörgler.«
    Clevinger war ebenso wie der Exgefreite Wintergreen der Ansicht, es sei Yossariáns Pflicht, sich über Bologna abschießen zu lassen, und er zerbarst beinahe vor Entrüstung, als Yossarián gestand, er habe die HKL verschoben und damit bewirkt, daß der Flug abgesagt worden war.
    »Und warum auch nicht, zum Teufel?« schnarrte Yossarián und argumentierte um so hitziger, als ihm der Verdacht kam, er könnte im Unrecht sein. »Soll ich mir vielleicht den Arsch abschießen lassen, bloß weil Colonel Cathcart General werden will?«
    »Und die Infanterie auf dem Festland?« verlangte Clevinger ebenso hitzig zu wissen. »Sollen die sich den Arsch abschießen lassen, bloß weil du nicht fliegen willst? Die Infanterie hat schließlich ein Recht auf Bomberunterstützung!«
    »Aber die muß nicht unbedingt ich geben. Du mußt doch begreifen, daß es denen ganz gleich ist, wer die Munitionslager bombardiert. Wir sollen doch einzig deshalb fliegen, weil dieses Miststück Cathcart sein Geschwader freiwillig dazu angeboten hat.«
    »Oh, das weiß ich ja alles«, versicherte Clevinger. Sein schmales, gequältes Gesicht war blaß, und in die erregt blickenden Augen stiegen aufrichtige Tränen. »Tatsache ist doch aber, daß die Munition immer noch dort ist. Du weißt sehr gut, daß ich Colonel Cathcart ebenso wenig schätze wie du.« Clevinger machte eine Pause, um dem folgenden größere Bedeutung zu geben. Sein Mund bebte, und dann schlug er schlaff mit der Faust auf seinen Schlafsack. »Aber nicht wir haben zu entscheiden, welche Ziele angegriffen werden, wer das zu tun hat und ...«
    »Und wer dabei abgeschossen wird? Und warum?«
    »Jawohl, auch das nicht. Wir haben kein Recht, solche Fragen...«
    »Du bist ja verrückt!«
    »... kein Recht, solche Fragen ...«
    »Willst du wirklich sagen, daß es mich nichts angeht, wie oder wann ich abgeschossen werde, sondern daß das einzig Colonel Cathcarts Sache ist? Willst du das wirklich sagen?«
    »Ja, das will ich«, Clevinger beharrte etwas unsicher auf seinem Standpunkt. »Eine bestimmte Gruppe von Männern ist damit betraut, den Krieg zu gewinnen, und die können sehr viel besser als wir darüber entscheiden, welche Ziele bombardiert werden müssen.«
    »Wir reden von zwei verschiedenen Dingen«, antwortete Yossarián mit übertriebener Erschöpfung. »Du redest von der Beziehung zwischen Luftwaffe und Infanterie, und ich rede von der Beziehung zwischen mir und Colonel Cathcart. Du redest davon, wie der Krieg gewonnen werden kann, und ich rede davon, wie der Krieg gewonnen werden, ich aber am Leben bleiben kann.«
    »Ganz richtig«, antwortete Clevinger schnell und selbstzufrieden. »Und was, glaubst du wohl, ist wichtiger?«
    »Wichtiger für wen?« schoß Yossarián zurück. »Mach doch endlich die Augen auf, Clevinger. Einem toten Mann ist es völlig egal, wer den Krieg gewinnt.«
    Clevinger saß einen Augenblick da, als habe man ihn geohrfeigt.
    »Herzlichen Glückwunsch!« rief er dann bitter, und ein hauchdünner, milchweißer Ring zeichnete sich um seine blutlosen, zusammengepreßten Lippen ab. »Ich kann mir nichts vorstellen, was dem Feind nützlicher sein könnte als eine solche Haltung.«
    »Der Feind«, erwiderte Yossarián knapp und gemessen, »ist jeder, der es auf dein Leben abgesehen hat, ganz gleich, auf welcher Seite er steht, einschließlich Colonel Cathcart. Vergiß das nicht, denn je weniger du es vergißt, desto länger bleibst du vielleicht am Leben.«
    Doch Clevinger vergaß es, und jetzt war er tot. Damals war Clevinger so außer sich geraten, daß Yossarián nicht gewagt

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