Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
dem Depot.
»Kannst du den Kaiser sehen?«, fragte Macro. »Deine Augen sind jünger als meine.«
Cato spähte über das Deck des Flaggschiffs und ließ die Augen über das Gewühl des kaiserlichen Gefolges wandern. Als er nirgendwo eine Bewegung ehrerbietigen Zurückweichens ausmachte, schüttelte er den Kopf.
Die Legionäre warteten aufgeregt auf Claudius’ Erscheinen. Jemand begann mit einem Sprechgesang: »Wir wollen den Kaiser! Wir wollen Claudius!«, der schnell aufgegriffen wurde. Er breitete sich der Palisade entlang aus und hallte über die Fahrrinne zum Flaggschiff hinüber. Doch noch immer war vom Kaiser nichts zu sehen, trotz zahlreicher Fehlalarme. Langsam wurde aus der Erregung Enttäuschung, und als die Prätorianer zu der Seite des Depots marschierten, die am weitesten vom Schlachthof entfernt lag, und dort ihr Nachtlager aufschlugen, machte sich schließlich Gleichgültigkeit breit.
»Warum geht der Kaiser nicht an Land?«, fragte Macro.
Aus seiner Kindheit im kaiserlichen Palast erinnerte Cato sich an das detaillierte Protokoll, das mit jeder offiziellen Handlung des Kaisers verbunden war, und konnte sich den Grund für die Verzögerung leicht vorstellen. »Ich nehme an, dass er erst morgen an Land geht, wenn die volle Willkommenszeremonie für den Kaiserempfang bereit ist.«
»Ach.« Macro war enttäuscht. »Dann gibt es heute Abend also nichts mehr zu sehen?«
»Ich glaube kaum, Herr.«
»Na schön, ich nehme an, wir könnten noch die eine oder andere Arbeit erledigen. Und da ist auch noch etwas Wein übrig, der getrunken sein will. Kommst du mit?«
Cato kannte Macro inzwischen gut genug, um zu erkennen, ob er wirklich die Wahl hatte oder ob es sich nur um einen höflich formulierten Befehl handelte.
»Nein, danke, Herr. Ich würde gern noch ein Weilchen hier bleiben und zuschauen.«
»Wie du willst.«
Als die Dämmerung sich immer tiefer senkte, zerstreuten sich die anderen Schaulustigen allmählich. Cato beugte sich vor, stützte die Ellbogen in die Kerbe zwischen zwei Pflöcken, legte das Kinn in die Hand, und betrachtete die Vielzahl von Schiffen, die jetzt um das Flaggschiff herum in der Fahrrinne lagen. Einige Schiffe beförderten Soldaten, andere die Bediensteten des kaiserlichen Haushalts und wiederum andere das aufwändig gekleidete Gefolge des Kaisers. Weiter draußen ankerten einige große Transportschiffe, aus deren Frachträumen sonderbare graue Buckel aufragten. Als die Triremen, welche die Prätorianer an Land gesetzt hatten, die Anlegestelle räumten, legten die großen Transportschiffe an, und Cato konnte einen genaueren Blick auf ihre Fracht werfen.
»Elefanten!«, rief er aus.
Seine Überraschung wurde von den wenigen Männern geteilt, die bei der Palisade zurückgeblieben waren. Elefanten waren seit mehr als hundert Jahren nicht mehr in einer Schlacht zum Einsatz gekommen. Sie mochten zwar dem Gegner auf dem Schlachtfeld einen Schrecken erregenden Anblick bieten, waren aber von gut geschulten Soldaten rasch außer Gefecht zu setzen. Außerdem konnten Elefanten, wenn sie nicht gut geführt wurden, für die eigenen Reihen so gefährlich werden wie für den Feind. In modernen Armeen waren sie praktisch nicht zu verwenden, und die einzigen Elefanten, die Cato je gesehen hatte, waren die Tiere in den Pferchen hinter dem Circus Maximus. Was sie eigentlich hier in Britannien sollten, nun, das konnte man wohl nur raten. Der Kaiser kann doch gewiss nicht die Absicht haben, dachte Cato, sie in der Schlacht einzusetzen. Sie mussten für irgendwelche kaiserlichen Zeremonien hier sein, oder um den Briten die Angst vor den Göttern ins Herz zu pfropfen.
Während er einen der Elefantentransporter betrachtete, wurde ein Abschnitt der Bordwand entfernt und eine breite Landungsbrücke auf die Anlegestelle geschoben. Matrosen ließen eine stabile Rampe in den Frachtraum hinunter und verteilten dann eine Mischung aus Streu und Erde auf Rampe und Landungsbrücke. Nach der Überfahrt von Gesoriacum sollten die vertrauten Gerüche den durch den Seegang verstörten Tieren eine dringend benötigte Beruhigung sein. Als der Kapitän sich überzeugt hatte, dass alles bereit war, gab er Befehl, die Elefanten zu entladen. Gleich darauf nötigte ein Elefantentreiber, umschallt vom Trompeten der Tiere, einen Elefanten die Rampe hinauf und an Deck. Obgleich Cato diese Tiere schon gesehen hatte, war das plötzliche Auftauchen des massigen grauen Körpers mit den gefährlichen Stoßzähnen
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