Cato 03 - Der Zorn des Adlers
Kelche, ohne einen einzigen Tropfen zu verschütten. Cato beobachtete ihn und bemerkte die Briten, die das Zelt betraten, daher erst, als sie fast schon den Tisch erreicht hatten. Der frühere Druidenschüler war ein Hüne, der die römischen Offiziere weit überragte. Neben ihm stand eine hoch gewachsene Frau im dunklen Reiterumhang, die die Kapuze so weit zurückgeschlagen hatte, dass man ihr straff um den Kopf geflochtenes rotes Haar sah. Der General nickte zum Gruß, und Vespasian straffte bei einem bewundernden Blick auf die Frau unbewusst die Schultern.
»Verdammt!«, flüsterte Macro, als die Frau sich leicht zur Seite wandte und er ihr Gesicht erkannte. »Boudica!«
Sie hörte ihren Namen, schaute zu den beiden hinüber, und ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Ihr Gefährte schaute sich nun ebenfalls um.
»O nein!« Cato schrak vor dem vernichtenden Blick des Riesen zurück. »Prasutagus!«
20
Als Cato aufwachte, hatte er hämmernde Kopfschmerzen, ein stetes Pochen in der Stirn. Draußen war es dunkel, und nur ein schmaler Spalt ließ die Stelle erkennen, wo die Zeltklappe lose herabhing. Er wusste nicht, wie spät es war, schloss die Augen und versuchte, wieder einzuschlafen. Vergebens – von den Rändern seines Bewusstseins krochen ständig aufs Neue Gedanken und Bilder heran und ließen sich nicht zurückdrängen. Er hatte sich noch nicht von den schlaflosen Nächten des gefährlichen Rückmarschs erholt, und nun stand ihm also dieses verrückte Unternehmen bevor, obwohl er sich doch eigentlich erst einmal ausruhen sollte. Nachdem sie am Abend ausführliche Anweisungen erhalten hatten, war er zwar nervös gewesen, aber dennoch eingeschlafen, sobald er sich unter der Decke zusammenrollte. Die anderen Männer in seinem Zelt schliefen schon tief und fest, und wie immer murmelte Figulus beim Träumen vor sich hin.
Wenn die Männer der Sechsten Zenturie in der Morgendämmerung aufstanden, würden ihr Zenturio und sein Optio schon nicht mehr im Lager sein. Das war jedoch nur die kleinste Veränderung, die ihnen bevorstand. Es war der letzte Morgen, an dem sie noch zu einer gemeinsamen Einheit gehörten. Die Sechste Zenturie wurde aufgelöst und die verbliebenen Männer auf die anderen Zenturien der Kohorte verteilt, um deren Verluste auszugleichen.
Macro war verärgert gewesen, als Vespasian ihn von dieser Entscheidung in Kenntnis setzte. Seit seiner Beförderung ins Zenturionat hatte er die Sechste Zenturie geführt und sie mit dem üblichen Stolz des jungen Offiziers für seine erste eigene Einheit gehegt und gepflegt. Nach der Landung in Britannien hatten er und seine Männer gemeinsam zahllose blutige Schlachten und bittere Scharmützel ausgefochten. Viele seiner Leute waren dabei umgekommen, andere hatte man als Krüppel nach Rom zurückgeschickt und vorzeitig entlassen. Die entstandenen Lücken waren mit einem Strom neuer Rekruten aufgefüllt worden. Von den achtzig Gesichtern, die ihm vor anderthalb Jahren zum ersten Mal vom Paradeplatz entgegengeblickt hatten, waren nur wenige übrig geblieben. Doch während die Männer kamen und gingen, hatte die Zenturie – seine Zenturie – Bestand gehabt, und Macro betrachtete sie inzwischen wie eine Verlängerung seines Arms, der allein seinem Willen gehorchte, und war stolz auf ihre Kampfkraft. Die Sechste Zenturie zu verlieren, war für ihn wie der Verlust eines Kindes, und Macro war wütend und fühlte sich beraubt.
Aber was wäre denn sonst zu tun, hatte der Legat ihm vernünftig zugeredet. Man konnte die Zenturie schließlich nicht bis zu Macros Rückkehr ohne Kommandanten lassen, und die anderen Zenturien brauchten kampferprobte Ersatzleute. General Plautius hatte bereits das gesamte Ersatzkontingent verteilt, das für die Legionen in Britannien bestimmt war, und die nächste Verstärkung war erst in mehreren Monaten zu erwarten. Sobald Macro seine Mission ausgeführt hatte und zur Legion zurückkehrte, würde man ihm das erste frei werdende Kommando übergeben.
Cato hatte Macro aus den Augenwinkeln angeschaut, und der Zenturio hatte bedauernd die Schultern gezuckt. Die Armee wusste ihre gut eingespielten Einheiten nicht genug zu schätzen und wenn der Legat es so entschieden hatte, war nichts mehr zu machen.
»Wie steht es mit meinem Optio, Herr?«, hatte Macro gefragt. »Falls wir es schaffen.«
Vespasian hatte den hoch gewachsenen, schmalen jungen Mann einen Moment lang gemustert und dann genickt. »Man wird sich um ihn kümmern.
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