Cato 04 - Die Brüder des Adlers
hingerichtet. Unseren Familien würde man das Land wegnehmen und sie würden versklavt. Denkt darüber nach … Nun, was sollen wir tun?«
»Du hast Rom dein Wort gegeben«, gab Artax zu bedenken. »Du hast einen Vertrag mit den Römern geschlossen und durch Schwur besiegelt. Das ist es doch gewiss, was zählt, Majestät?«
Tincommius schüttelte den Kopf. »Nein. Entscheidend ist der Ausgang des Kampfes zwischen Rom und Caratacus. Nur das zählt.«
»Weise gesprochen, mein Junge«, bestätigte Verica mit einem Nicken. »Nun denn, wer wird gewinnen?«
»Rom«, erklärte Mendacus. »Darauf würde ich mein Leben verwetten.«
»Das hast du schon«, gab Tincommius lächelnd zurück. »Aber ich nehme an, dass die Wahrscheinlichkeiten sich allmählich umkehren.«
»Ach, tatsächlich?« Mendacus verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte zurück. »Was veranlasst dich zu dieser Überzeugung? Aus welcher enormen militärischen Erfahrung schöpfst du denn deine Weisheit? Nun, sage es uns. Wir sind ganz Ohr.«
Tincommius war zu klug, den Köder zu schlucken. »Nach Beweisen brauchen wir nicht lange zu suchen. Warum ist Rom denn wohl bereit, unsere beiden Kohorten zu bewaffnen und auszubilden, wenn ihnen nicht eigene Leute fehlen? Die Armee hat sich überdehnt. Ihre Nachschublinien sind verwundbarer als je zuvor und Caratacus kann beinahe ungestraft Überfallkommandos weit hinter die Front der römischen Legionen schicken.«
»Ich dachte, ihr hättet vor ein paar Tagen ein solches Kommando geschlagen?«
»Wir haben einen einzigen Trupp geschlagen. Doch wie viele davon mag es noch geben? Wie viele kann Caratacus noch losschicken? Die Überfälle häufen sich immer mehr. Was auch immer die Legionen in der Schlacht leisten, sie sind nicht stärker als ihre Nachschublinien. Zerstört man die, werden General Plautius bald Nahrung und Waffen ausgehen. Die Legionen werden sich zur Küste zurückziehen müssen und dabei auf Schritt und Tritt belästigt werden. Bis sie schließlich verbluten.«
Mendacus lachte. »Wenn die Niederlage der Römer so offensichtlich ist, warum kämpfst du dann für sie?«
»Sie sind unsere Verbündeten«, erklärte Tincommius schlicht. »Wie Artax bereits erläuterte, hat unser König einen Vertrag mit ihnen geschlossen, und an den müssen wir uns halten. Es sei denn, der König ändert seine Meinung …«
Alle blickten verstohlen zum König hinüber, doch Verica starrte über die Köpfe der Versammelten hinweg auf die sich dunkel unter den Dachsparren abzeichnenden Balken. Er schien die letzte Bemerkung nicht gehört zu haben und es entstand ein unbehagliches Schweigen, in dem nur das leise Geraschel und gelegentliche Räuspern der auf eine Antwort wartenden Adligen zu hören war. Schließlich wechselte Verica einfach das Thema.
»Es gibt noch etwas anderes zu bedenken. Wie auch immer meine Entscheidung über das Bündnis mit Rom ausfallen mag, bleibt abzuwägen, wie die anderen Adligen und unser Volk darauf reagieren werden.«
»Dein Volk wird nach deinem Willen handeln, Majestät«, antwortete Mendacus. »Das hat es geschworen.«
Ein Ausdruck der Belustigung zuckte über Vericas durchfurchtes Gesicht. »Dein Verlangen, nach meinem Willen zu handeln, war recht kurzlebig, würdest du nicht auch sagen? «
Mendacus wurde rot vor Verlegenheit und mühsam beherrschtem Zorn. »Ich spreche jetzt als einer deiner treuesten Diener. Darauf hast du mein Wort, Majestät.«
»Oh, wie ungemein beruhigend«, murmelte Artax.
»Durchaus.« Verica nickte. »Bei allem Respekt vor deinem Wort, Mendacus, weiß ich doch, dass viele unserer besten Krieger unser Bündnis mit Rom nicht gerne sehen, und dasselbe gilt für viele unserer Untertanen. Ich bin alt, aber keineswegs dumm. Ich weiß, was die Leute sagen. Ich weiß, dass es einige Adlige gibt, die bereits Ränke schmieden, um mich zu stürzen. Alles andere wäre erstaunlich und ich fürchte, es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis sie die Gelegenheit ergreifen, ihre Pläne in die Tat umzusetzen. Wer weiß, wie viele von unseren Kriegern sich ihnen anschließen würden? Aber wenn ich mich auf Caratacus’ Seite stellte, wäre mein Thron dann sicherer? Das bezweifle ich sehr …«
Mendacus wollte etwas sagen, doch Verica gebot ihm mit einer Handbewegung Einhalt. »Nein. Kein Wort mehr über die Treue meiner Untertanen.«
Mendacus hatte schon den Mund geöffnet, doch dann siegte sein gesunder Menschenverstand über den Speichellecker in ihm, und
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