Cato 04 - Die Brüder des Adlers
Calleva und seine unglücklichen Einwohner hinter sich zurück. Bald verschwand die Hauptstadt der Atrebates hinter einem Hügel, und die Kolonne aus Reitern, Wagen und zu Fuß marschierenden Dienstleuten folgte dem tief ausgefahrenen Weg durch die hügelige Landschaft, in der die Felder und Weiden vereinzelter Bauernhöfe von letzten Waldresten und kleinen Gestrüppinseln durchzogen waren. Trotz der Angst vor den Überfällen, die Caratacus und seine Durotriges noch immer tief ins Gebiet der Atrebates führten, wurden einige der Höfe noch immer bewirtschaftet. Hier und da wogten Gersten- und Weizenfelder golden im leichten Wind, der weiße Wolkenbäusche über den tiefblauen Himmel trieb.
Catos finstere Stimmung legte sich allmählich. Tribun Quintillus war im Gewimmel des königlichen Gefolges nicht mehr zu erkennen, und als Cato die Augen über die fruchtbare britische Landschaft schweifen ließ, vergaß er ihn allmählich. Gewiss, diese Landschaft war weder so eindrucksvoll noch so gründlich kultiviert wie das Umland Roms, doch sie hatte ihre eigene, unverdorbene Schönheit und er genoss die süßen Düfte, die ihm in die Nase wehten.
»Das hier wäre ein schönes Fleckchen für den Ruhestand«, überlegte Macro laut, der den Gesichtsausdruck seines Kameraden richtig gedeutet hatte. »Nachdem wir dem Feind tüchtig in den Arsch getreten haben.«
»Wie lange läuft deine Dienstzeit noch?«, fragte Cato mit einem leichten Unbehagen bei der Vorstellung eines Legionärslebens ohne Macro an seiner Seite.
»Noch elf Jahre, vorausgesetzt, der Kaiser hält sich an die vorgeschriebenen Zeiten.«
»Glaubst du das etwa nicht?«
»Ich weiß es nicht. Nach der Varus-Katastrophe behielten sie einige altgediente Veteranen, bis die kaum noch laufen konnten – oder auch nur essen. Einige von ihnen mussten Germanicus erst ihre zahnlosen Münder zeigen, damit er kapierte, dass sie genug von der Armee hatten.«
»Wirklich?«
»O ja! Als ich zur Armee kam, waren noch immer ein paar von denen da. Arme Schweine. Hätten die Germanen gewusst, dass die Rheinlegionen aus alten Männern bestehen, die kaum stark genug sind, ein Schwert zu halten, wären sie so mühelos durch Gallien geflutscht wie Scheiße durch einen Gänsedarm.«
»Hübsches Bild.«
»Nein. Einfach nur wahr. Wir Soldaten hätten dann bis zum Hals in der Scheiße gesteckt, während diese verdammten Politiker in Rom nur damit beschäftigt gewesen wären, sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben. Diese Drecksäcke.«
»Aber jetzt ist es anders«, entgegnete Cato. »Wer seinen Dienst abgeleistet hat, bekommt seine Entlassung und die volle Gratifikation. Der Kaiser scheint sich wirklich daran zu halten.«
»Das stimmt. Der alte Claudius scheint ein ehrlicher Kerl zu sein, aber er lebt schließlich nicht ewig.« Macro schüttelte traurig den Kopf. »Die Besten sterben immer zuerst. Als Nächstes kriegen wir bestimmt wieder so einen kleinen Drecksack wie Caligula oder schlimmer noch, Vitellius wird der nächste, bei unserem Glück.«
Cato lächelte schief und schüttelte den Kopf. »Vitellius? Ach was! Selbst einem so durchtriebenen Arschloch kommt man irgendwann auf die Schliche. Vitellius Kaiser? Nein, unmöglich.«
»Meinst du?« Macro wurde ernst. »Ich würde gutes Geld darauf verwetten.«
»Dann würdest du es verlieren.«
»Ich kenne diesen Menschenschlag: Kein Ziel ist ihnen zu hoch gesteckt.« Macro zeigte zur Kolonnenspitze. »Wie unser Freund Quintillus da vorn.«
Cato blickte in die von Macro gewiesene Richtung und sah, dass die Gefährten des Königs in losen Zweier- und Dreiergruppen ritten. Zwischen ihnen konnte Cato mit Mühe und Not den scharlachroten Umhang des Tribuns erkennen. Unmittelbar neben ihm ritt ein breitschultriger Mann mit dunklem, zu Zöpfen geflochtenem Haar. Cato fragte sich, was Artax nur so intensiv mit dem Tribun zu besprechen hatte.
23
Bei Anbruch der Dämmerung schlugen sie ihr Lager an einem kleinen Flüsschen auf, das am Rande des Waldes, in dem am nachfolgenden Tag die Jagd stattfinden sollte, in seinem von Kieseln übersäten Flussbett gluckerte. Die Sonne stand groß und rund tief am westlichen Horizont und übergoss die wenigen Schleierwolken mit Orange und Rot. Lange, dunkle Schatten legten sich über das kurze Gras des Ufersaums, das von den Schafen eines von den Durotriges bisher verschonten Bauernhofs abgeweidet wurde. Das Anwesen, ein Durcheinander niedriger, strohgedeckter Hütten, die von
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