Cato 05 - Beute des Adlers
er diese Aufgabe am besten bewältigte. Selbstverständlich fiel auch hier so viel Bürokratie an, dass Vespasian noch nie so eingespannt gewesen war wie jetzt. Doch jedes Mal erwachte er nach den wenigen Stunden Schlaf, die ihm zustanden, tatkräftig und mit dem Gefühl, dass er wichtige Dinge zu erledigen hatte, Dinge, die das Schicksal seines Volkes und das des römischen Reiches entschieden.
Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen dachte er daran, wie sehr sich Flavia freuen würde, wenn er die Legion verließ. Seine Frau hatte den Legatsposten von jeher als eine ärgerliche Zwischenstation auf dem Weg zu einer wirklich bedeutenden Stellung betrachtet. Die Unannehmlichkeiten, die sie in jener Festung am Rhein hatte erdulden müssen, hatte ihr die Armee für immer verleidet. Jetzt wartete sie ungeduldig in Rom auf ihren Ehemann – doch nicht allein. Vespasian lächelte, als er an den kleinen Titus dachte, der ihr Gesellschaft leistete. Wenn man den taktvollen Briefen Glauben schenken wollte, die sie ihm schickte, gedieh der Junge prächtig. Vespasian hoffte, er beschäftigte seine Mutter so sehr, dass sie nicht auf andere Gedanken kam.
Vespasians stille morgendliche Freude verblasste bei der drohenden Aussicht auf eine Rückkehr in die Schlangengrube der römischen Politik. Selbst hier, am Rande der bekannten Welt und umgeben von seinen Soldaten, spürte er, wie sich die Tentakel des Verrats aus dem Herzen des Imperiums nach ihm ausstreckten und ihn zu zerquetschen drohten. Das einfache Soldatenleben würde ihm verwehrt bleiben, dachte Vespasian verbittert. Es wäre töricht, etwas anderes anzunehmen. Die Politik war für seine Klasse so wichtig wie die Luft zum Atmen. Daran konnte er nichts ändern …
Vespasian ließ den Blick über den Wall bis zu der Stelle schweifen, an der die Dritte Kohorte seiner Legion ihr Lager abgebrochen hatte und sich in Marschordnung formierte. Der Centurie, die die Vorhut bildete, folgten die Standartenträger, vier weitere Centurien, der Tross und schließlich die Nachhut. Insgesamt waren es weniger als vierhundert Mann. Im Vergleich zu den gewaltigen Formationen am anderen Ufer kam ihm die Kohorte geradezu winzig vor. Vespasian betrachtete sie mit einer Mischung aus tiefem Abscheu und Zuversicht. Die Kohorte hatte die Ehre seiner Legion beschmutzt. Nur ihre Vernichtung würde diese Schande vergessen machen. Die völlige Vernichtung – oder eine Heldentat, die sie bei ihren Kameraden, ja bei der ganzen Armee rehabilitieren würde. Dies war seine Hoffnung. Aber wie dem auch sei – die Dritte Kohorte würde ihm nun nicht länger durch ihre Anwesenheit das Leben schwer machen.
Wenn sein Plan aufging und Caratacus aus seinem Versteck kam, um den Köder zu schlucken, war es so gut wie sicher, dass Maximius und seine Kohorte ohne Gnade niedergemacht werden würden – lange bevor ihre Kameraden die Falle zuschnappen lassen konnten.
Der Legat sah, wie die Centurionen die Männer zur Ordnung riefen und sich dann am Kopfende ihrer Centurie aufstellten. Der Kohortenkommandant führte eine letzte Inspektion der Truppe durch, dann eilte er zu den Standartenträgern und hielt sich die Hände trichterförmig vor den Mund. Einen Augenblick später erreichte der schwache Nachhall des Abmarschbefehls Vespasians Ohren, und die Kolonne setzte sich in Bewegung.
»Immer vorsichtig«, sagte der Optio leise zu Macro und nickte zum Lager hinüber. »Der Legat hat uns im Blick.«
Macro sah sich wie beiläufig um und bemerkte die Gestalt, die in einer in der Sonne glänzenden, goldenen Tunika samt rotem Umhang über den Schultern auf dem Wachturm stand. Selbst auf diese Entfernung waren der breite Kopf und der dicke Hals unverkennbar.
»Was gibt’s denn da zu gucken?«, murmelte der Optio.
Macro lachte leise auf. »Er will nur sichergehen, dass wir auch wirklich verschwinden.«
»Hä?« Der Optio fuhr zu Macro herum. Sofort bereute der Centurio seine unbedachte Bemerkung.
»Sentius, was hast du denn gedacht? Dass uns der Legat so gut leiden kann und uns deshalb zum Abschied zuwinkt?«
Der Optio errötete und warf einen Blick über die Schulter.
»Erste Reihe, Haltung annehmen! Ihr seid verdammte Legionäre und keine Hilfstruppenarschlöcher!«
Sentius konnte Macro mit diesem Versuch, seine Verlegenheit zu überspielen, nicht täuschen. Sollte der Optio seine Wut nur an den Männern auslassen. Es schadete nicht, sie auf Trab zu halten. Sie mochten in Ungnade gefallen sein, aber sie waren
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