Catpower: Das ultimative Körperbuch (German Edition)
Laufschuhen, rundumbelüftet und reflektierend, die ich entweder nie oder nur einmal getragen habe.
Erste Laufversuche
Ich hatte mal »schlechte Füße«. Mit Hallux valgus, der liegt in der Familie, Sie wissen schon, alle verwandten Frauen haben ihn. Hallux valgus ist, wenn das Quergewölbe des Fußes ausgeleiert ist und der kluge Fuß kompensiert, indem er die Mittelfußmuskeln zusammenzieht. Das verschachtelt mit der Zeit die Mittelfußknochen, dafür spreizt sich der Vorfuß (das Quergewölbe) immer mehr. Am Großzehengrundgelenk bildet sich ein Knubbel, die Großzehe winkelt sich Richtung Kleinzehe. Kommt eine Entzündung dazu, wird das Ganze sehr schmerzhaft. Eine Schuheinlage oder Operation schafft kurzfristig Abhilfe. Wird indes die Haltung, die zur Verformung des Fußes führte, nicht behoben, so geht das Drama weiter.
Ich hatte außerdem »schwache Knöchel«, knickte bei jeder Gelegenheit seitlich ab und verstauchte Dutzende Male die Knöchel. Einmal gab’s einen Trümmerbruch, weil ich in Stöckelschuhen auf einer glatt gebohnerten Holztreppe abknickte.
An Laufen war nicht zu denken. Sie erinnern sich an den Ehemann vom Surfbrett? Er war mal Spitzensportler, Leichtathlet. Bewundernd nahm er die Disziplin zur Kenntnis, mit der ich jeden Morgen um sechs meine Übungen absolvierte und danach eine halbe Stunde auf dem Minitrampolin oder dem Hometrainer abspulte, und er befand, damit müsse sich nun doch etwas Anständiges anstellen lassen.
Also ab auf die Finnenbahn, die ist weich genug für meine Prinzessin-auf-der-Erbse-Füße. »Schau, das geht so«, sagt er, winkelt die Arme seitlich an, hebt abwechselnd die Beine und ist weg. Ich hebe ebenfalls die Arme seitlich an, werfe mein damals noch niedriges Gewicht in die Luft, Bein vor den Körper, Fuß aufsetzen, der Ehemann überholt mich zum ersten Mal: »Schau Schatz, so musst du das machen, geht ganz leicht.« Hüftgelenke schmerzen, Rücken schmerzt, Kopf hochrot, der Atem beginnt zu röcheln, der Ehemann überholt zum zweiten Mal: »Komm schon, du schaffst das.« Ein Asthma-Anfall rettet mich, ich gebe auf, röchle und ruhe lange, spaziere ein bisschen, bis der lange Dünne seine 20 Runden abgespult hat. »Was war denn, wieso hast du aufgegeben?«, fragt er, leicht atmend, kaum schwitzend. Unnötig zu sagen, dass er mich nie mehr auf seine Laufrunde einlud. Ich dachte auch nicht mehr daran, für meine Fitness zu laufen. Schwimmen, Rad fahren – ja. Joggen – ohne mich.
Szenenwechsel. Wir waren im Jahr 1998, es boomten die Bücher des Dr. Ulrich Strunz, der es meisterhaft verstand, Menschen in Bewegung zu setzen. Allerdings mit einem Haken: Er empfahl Vorfußlaufen. Ich nenne das »potemkinsches Laufen«. Es wird nur die Vorderseite des Körpers gebraucht, Vorfuß, Schienbein, vordere Oberschenkelmuskeln. Der Oberkörper fällt beim Vorfußlaufen leicht nach vorne, also werden praktisch automatisch die Schultern hochkatapultiert. Ferse, hintere Beinmuskeln, Beckenboden- und Beckenmuskulatur liegen weitgehend brach. Vor allem: Füße, Knie, Hüftgelenke nehmen Schaden.
So standen die Klientinnen und die immer noch wenigen Klienten vor mir, klagten über Beschwerden in den Zehengelenken und baten mich, sie zu instruieren, wie sie denn nun mit dem aufgespannten Körper und gelenkfreundlich laufen könnten.
Huch. Das hatte ich nun davon. Ich verstand den Wunsch meiner Kunden. Es musste möglich sein, die anatomische Logik meiner Methode in Bewegung zu setzen. Bloß – wie? Also, Laufschuhe besorgen und ab in die Natur. Beobachten. Was mache ich? Ich ziehe mit den vorderen Oberschenkeln das Bein vom Boden, werfe ihn, den Oberschenkel, nach vorne, lande schwer auf der Ferse, rolle ab, das heißt, ich drücke den Fuß platt, stoße mich vom Vorfuß hoch. Der Oberkörper lehnt leicht nach vorne, die Schultern sind hochgezogen. Nach 100 Schritten bin ich nudelfertig.
Ich beobachte die anderen. Zäher junger Mann mit vorgeschobenem Becken und hochgezogenen Schultern. O-beinig rollt er auf den Außenkanten seiner Füße ab. Die Knie sehen dabei nicht glücklich aus. Das Gesicht verzieht sich auch unglücklich.
Junge Frau. Voll gestylt, Ohrhörer. Läuft wippend. Zieht sich bei jedem Schritt hoch. Es wippt der Pferdeschwanz, es wippen die Brüste, es wippt der Po. Das Becken wippt hin und her, und die Fersen berühren sich bei jedem Schritt.
Älterer Herr. Kinn und Brustkorb vorgeschoben. Schultern und Arme aufs Äußerste gespannt. Auch die Muskeln
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